Kirchgemeindenachrichten Oktober 2001

Zur Brauerei

In der Ortsanlage von Gaußig spiegelt sich in fast vollkommener Weise das bauliche Ensemble eines lausitzer Kirch- und Rittergutsdorfes wider. Um die Kirche als Zentralbau sind die Gebäude angeordnet, die dem Ort maßgeblich sein Gesicht geben. Den größten Teil davon nimmt das Rittergut ein, dessen Hausnummer für alle Gebäudeteile die 2 war. Damit wurden die Gärtnerei, das Schloss selber, sämtliche Gebäude des Gutes, die Hofehäuser und auch die Brauerei bezeichnet. Braurechte gehörten seit alters her zu den Gütern der Reichsgrafen, wenn sie nicht noch älteren Ursprungs waren. Wie eine Töpferei und eine Schmiede (jetzt im Besitz von Fam. Metzenbauer), so markierte auch eine Brauerei die Dorfgrenze. Traditionell wurde diese von der gräflichen Verwaltung an Pächter vergeben. Ihre Aufgabe bestand aber nicht nur in der Versorgung der gräflichen Güter mit Bier, Schnaps oder Limonade, sondern sie betrieben darüber hinaus noch einen Ausschank und Landwirtschaft. Für unsere Verhältnisse hatten die Pächterfamilien ein Übermaß an Arbeit zu leisten. Höhepunkt der Anstrengungen war die sich an die Hachfruchternte anschließende Gaußiger Kirmes, wo in den Zeiten, als das hergebrachte Leben noch funktionierte, unser Ort und seine 5 Gaststätten von Besuchern überschwemmt waren. Alle Kinder der Familie hatten ihre festen, geregelten Aufgaben, so dass Müßiggang unter ihnen eher die Ausnahme bildete.

 

So erzählte mir Helene Wilsdorf, geb. Nitsche, dass sie schon sehr zeitig, wenn die Steinarbeiter, die aus Arnsdorf zum Demitzer Steinbruch unterwegs waren, ans Tor klopften, ihnen in einem Korb ihre Pullchen rausbrachte. Ein Arbeitstag begann eben schon ab 5.00 Uhr. Im Winter hatte der Brauer mit Gutsarbeitern für Kühlzwecke das Eis auf dem Kirchteich zu bergen, das dann in den tiefen Kellern der Brauerei im Stroh verpackt für das kommende Jahr die Getränke kühlte. Irgendwann aber war Arbeitsaufwand und Nutzen derartig auseinander getreten, dass der letzte Gaußiger Bierkutscher August Schneider sich eine andere Beschäftigung suchen musste und man die Brauerei einstellte. Der älteste Sohn des Grafen wollte sich diesen Komplex als Wohnort für seine Familie ausbauen. Er ist als einziger seiner Geschwisterschar auf dem unweit der Brauerei gelegenen Friedhof beigesetzt. In der Nachkriegszeit ist dann dieser Gebäudekomplex runtergewohnt und vernachlässigt worden. Umso schöner ist es, dass Gaußiger Familien, nachdem der Erwerb der Brauerei ermöglicht wurde, sich dieser alten Ortslage annahmen. Sie haben damit für sich und ihre Kinder eine schöne Heimat erworben.


Pfr. Gerd Frey

BrauereiPaethow2011