Sächsische Zeitung vom 3. September 2015

In der Töpferei dreht sich's wieder


Nach dem Tod des Meisters schien das Aus besiegelt. Nun übernimmt sein Sohn. Dabei wollte der Gaußiger nie Töpfer werden.
Von Madeleine Siegl-Mickisch
Ringo Kosmehl findet Erfüllung beim Töpfern. Hauptberuflich arbeitet er als Informatiker, aber im Nebenerwerb betreibt er jetzt die Gaußiger Töpferei. Trotz langer Tradition war deren Ende eigentlich schon besiegelt. © Carmen Schumann

Gaußig. Wenn Ringo Kosmehl an der Töpferscheibe sitzt, kann er ringsum alles vergessen. Mit einem Lächeln verfolgt er, wie unter seinen Händen aus Ton ein Gefäß entsteht. Zum Schluss formen seine Finger den schlanken Hals einer Kanne. "Dann seh' ich wieder die Hände meines Vaters vor mir", sagt Ringo Kosmehl. 30 Jahre lang hatte Hans-Joachim Kosmehl die unter dem Namen Carl Fischer bekannte Gaußiger Töpferei geführt. Doch vor zwei Jahren starb er plötzlich - mit 62 Jahren. Von heute auf morgen blieb es still in der mittlerweile 190 Jahre alten Töpferwerkstatt, die Kosmehl in sechster Generation, zuletzt aber nur noch als Ein-Mann-Betrieb geführt hatte. Und weil kein Nachfolger in Sicht war, hatte er sich schon damit abgefunden, die Töpferei eines Tages schließen zu müssen - trotz langer Tradition.
Ringo, sein einziger Sohn, hatte keine Ambitionen für das Töpferhandwerk. Er studierte Informatik und fand in dieser Branche auch Arbeit. An der Töpferwerkstatt hängt er trotzdem. Denn als Junge verbrachte er dort viel Zeit. Gefäße hat er zwar nicht gedreht, aber seinen Vater dabei beobachtet und ihm bei anderen Arbeiten geholfen. Damals - zu DDR-Zeiten - hatte die Töpferei noch zehn Beschäftigte. "Hier war immer Leben drin. Ich kenne es nicht anders", sagt der 39-Jährige, der mit seiner Familie gleich neben der Werkstatt wohnt.
Wenige Tage nach dem Tod seines Vaters hatte er sich dann doch an die Töpferscheibe gesetzt und mit dem Bild der väterlichen Hände im Kopf einfach probiert. Manches misslungene Stück flog wieder zurück in die Tonkiste. Aber nach und nach füllte sich der große Tisch in der Werkstatt mit unterschiedlichen Gefäßen. "Und wenn ich gar nicht weiterkam, bin ich zur Töpferei Schmidt nach Bischofswerda gefahren. Aber auch andere Töpfer haben mir weitergeholfen. Dafür bin ich sehr dankbar", sagt Kosmehl. Vor allem das Henkelziehen habe ihm Probleme bereitet.
  Als auf dem großen Tisch dann kaum noch Platz war, kaufte sich Ringo Kosmehl einen kleinen elektrischen Ofen, um die Stücke brennen zu können. Der Ofen, den sein Vater genutzt hatte, wäre viel zu groß gewesen. Hohe Stückzahlen kamen ja nicht zusammen, schließlich hatte Ringo Kosmehl die Tassen, Schüsseln, Krüge und Kannen erst einmal nur so aus Freude gedreht und nicht für den Verkauf. "Wenn die Form langsam Gestalt annimmt, ist das wie eine Sucht", beschreibt er, warum er sich auch ohne konkreten Auftrag immer wieder an die Töpferscheibe setzte.

Kannen, Krüge und Pokale

Rohstoff sei ja genug da. Den Vorrat seines Vaters könne er wohl nicht aufbrauchen, schätzt er die Menge ein. Zum Glück könne er die jahrzehntealten Maschinen bedienen und auch reparieren, mit denen der Ton aufbereitet wird. Denn so wie er aus der Erde kommt, kann er nicht auf die Scheibe. Erst nach mehreren Arbeitsschritten hat er die fürs Drehen erforderliche Beschaffenheit. Die meisten Töpfereien würden ihren Ton heute nicht mehr selbst aufbereiten. Das sei nicht mehr wirtschaftlich. "Aber ich muss ja nicht vom Töpfern leben", sagt Ringo Kosmehl. Doch bald standen mehr Gefäße von seiner Hand in der Werkstatt, als sie im eigenen Haushalt Verwendung finden. Und dann kam im Frühjahr die Anfrage vom Sportverein, ob er - wie jahrelang der Vater - die Pokale für den Gaußiger Parklauf anfertigen würde. Das gab schließlich den Ausschlag dafür, die Töpferei fortan im Nebenerwerb zu betreiben. An die Scheibe setzt sich Ringo Kosmehl auch weiterhin, wenn er Zeit und Lust hat. Und immer Mittwoch schließt er nachmittags den kleinen Laden auf.
Dort stehen neben Produkten, die noch von seinem Vater stammen, die ersten eigenen Gefäße. Er bevorzugt althergebrachte einfache Formen wie Kannen und Krüge, denen er mit selbst hergestellten Lehmglasuren ihre braune oder grüne Farbe verleiht. Er arbeitet aber auch auf Bestellung, etwa ein spezielles Pflanzgefäß. Und wer ein vorhandenes Kaffeeservice ergänzen möchte oder Ersatz für einen zerbrochenen Deckel braucht, wird bei ihm ebenfalls fündig. Denn die Malerin, die zuletzt bei seinem Vater fürs Dekor zuständig war, steht wieder zur Verfügung.
Ringo Kosmehl ist glücklich, im Töpfern so einen erfüllenden Ausgleich zu seiner Arbeit als Informatiker gefunden zu haben. Vor allem aber freut ihn, dass in der Werkstatt nun wieder Leben herrscht. Und vielleicht geht es ja eines Tages sogar mit der achten Generation weiter. Denn die beiden Töchter - neun und knapp drei Jahre alt - hantieren schon jetzt gern mit Ton.
Der Laden der Gaußiger Töpferei ist mittwochs 16.30 bis 18 Uhr geöffnet, 035930 55046.