Peter Böhmer

Ich war von 1955 bis 1959 "Gaußiger Bürger" und wohnte damals bei meinen mütterlichen Großeltern im Haus Nr. 55 (Klempnerei Walter Pietsch). 1. Den Handwerksbetrieb "Karl Pietsch und Söhne" übernahm - auf Wunsch des Vaters Karl - der Sohn Walter Pietsch (geb. 22.5. 1897, gest. 30.5.1979) und führte ihn als Klempnermeister (mit Konzession zu Arbeiten an Elektroanlagen) bis zu seinem Tod. Danach wurde der Betrieb von Meister Schröter (aus Bautzen) noch einige Jahre weitergeführt.
2. Die Firma Karl Pietsch und Söhne hatte den Versuch unternommen, mit der Produktion von verzinkten Fallrohrschellen mit geschmiedetem Mauerhaken "zu wachsen". Es wurden damals eine Exzenterpresse, ein mobiles Schmiedefeuer und eine Verzinkungswanne angeschafft und mein Großvater hat in der Exzenterpresse eines seiner Fingerglieder eingebüßt.
  Die erwähnte Herstellung von Dachrinnen erfolgte noch weit in die 60er und ersten 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein und ich habe mit meinem Großvater so manches Meterstück zugeschnitten, gerundet, abgekantet und gewulstet - alles mit handbetriebenen Hilfsmitteln (Schlagschere, Rundmaschine, Abkantbank, Wulstvorrichtung). In den ersten Nachkriegsjahren wurden Rinnen auch aus Schwarzblech gefertigt und in Oppach verzinkt. Als Fallrohrersatz oder für Ofenrohre wurden im Sommer 1945 Munitionskartuschen aus dem Seitschener Hay geholt und in mühevoller Handarbeit hergerichtet.
3. Neben dem Handwerksbetrieb gab es im Wohnhaus einen Laden für Haushaltwaren und Elektrogeräte einschließlich Zubehör und bis 1945 (?) die auf dem veröffentlichten Bild erkennbare Tankstelle. Der Tank (von der Straße gesehen links vom Haus in der Erde - vermutlich heute noch drin) war nach dem Krieg eine "geheime Spritreserve" für den motorradfahrenden Klempnermeister.

Wasserversorgung im Haus Nr. 55 in Gaußig nach 1928

Beispiel für eine von Elektroenergie unabhängige Anlage

Vermutlich unmittelbar nach Errichtung eines separaten Werkstattgebäudes 1928 (eventuell auch früher) wurde die ursprüngliche, im Wohnhaus befindliche Werkstatt zum Bad umgebaut.
Ich kenne den Zustand aus Kindheitstagen und kann über ein besonderes Erlebnis meiner Mutter (Hanna geb. Pietsch) in diesem Bad berichten.
Die folgende Skizze zeigt den prinzipiellen Aufbau der Hauswasserversorgung im Haus Nr. 55 zu der Zeit, als der Klempnermeister Karl August Pietsch mit Frau Pauline, Sohn Walter, dessen Frau Helene und den beiden Töchtern Hanna und Elisa das Haus bewohnten.
In dieser Art war die Anlage bis etwa 1953 in Betrieb. Danach gab es eine selbstansaugende Kreiselpumpe, aber nach wie vor keinen Druckkessel. Die handbetriebene Pumpe blieb als "Notreserve" noch mehrere Jahre erhalten.
(Ab hier gibt es teilweise Ergänzungen durch Ulrich Hoffmann)
Ein Umbau dieser unten beschriebenen Hochbehälter-Anlage fand sicherlich nach dem Verkauf des Hauses im Jahre 1980 an Fam. Kurze statt.
  Handbetriebene Hauswasserversorgung

Aus einem unter dem Kellerboden gegrabenen Brunnen (1) - mit Klinkerausmauerung (?) - wurde mittels handbetriebener Flügelpumpe (2) - sie befand sich im Hinterhausflur - das Brunnenwasser in den Vorratsbehälter (3) gepumpt. Der Behälter war ein mit Kupferblech ausgekleideter Holzkasten, befand sich auf dem Hausboden neben dem Schornstein, war würfelförmig, und oben offen - nur durch einen Holzdeckel gegen grobe Verunreinigung geschützt und nicht wärmegedämmt.
Das zugeführte Wasser "plätscherte" vom Rohrende kurz unterhalb des Deckels bis zur jeweiligen Wasseroberfläche. Das Pumpen war meist Sache der Lehrlinge, die das wohl anfänglich mit Übereifer getan hatten und so auch ein Überlaufen des Vorratsbehälters verursacht hatten. Der Meister installierte daraufhin einen Schwimmer, an dessen Oberseite eine Schnur befestigt war, die über eine Umlenkrolle bis ins Erdgeschoss reichte. Ein kleines Gewicht hielt diese Schnur straff vor einer gefliesten Wand. Je höher der Wasserstand war, desto tiefer sank das Gewicht und mit einem roten Strich in einer Fliesenfuge war der maximale Füllstand markiert. So wurde - Aufmerksamkeit vorausgesetzt - "Überschwemmung" vermieden. Weil in strengen Wintern die Gefahr des Einfrierens bestand, war es auch wichtig, zu erkennen, ob der Vorratsbehälter vollständig entleert war und so gab es auch eine obere Markierung, die vom Gewicht erreicht wurde, wenn der Behälter leer war. Ich erinnere mich an den kalten Februar 1956. Damals wurde jeweils nur soviel Wasser gepumpt, wie man bald danach verbrauchte. Trotzdem kam es vor, dass Restwasser eingefroren und Auftauen der Abflussleitung mit warmen Lappen angesagt war. Die vom Boden kommende Frischwasserleitung versorgte ein Waschbecken in der Küche (5) und die Badewanne (6). Erst 1948 wurden auch im 1. Obergeschoss weitere Zapfstellen (7) eingerichtet.
  Die Besonderheit der Hauswasserversorgung beim Klempnermeister Karl August Pietsch bestand darin, dass mit den Rauchgasen des Küchenherdes auch Warmwasser bereitet wurde. Der gemauerte Küchenherd mit Kochstellen und einer Backröhre hatte rauchgasseitig vor dem Schornstein einen etwa 2 Meter hohen Schacht, in dem sich ein Behälter (4) aus Kupferblech - mit schätzungsweise 150 Liter Wasser - befand. Zwei Warmwasserzapfstellen lieferten immer dann warmes Wasser, wenn in der Küche gefeuert wurde und das erfolgte auch im Sommer, weil in den ersten Betriebsjahren noch keine andere Kochstelle verfügbar war. Erst in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde ein Elektroherd angeschafft.
Auch mit den später (ca. 1957/58) in Ober- und Erdgeschoss aufgestellten transportablen, kohlebeheizten Küchenherden wurde mittels darüber aufgehängtem Kupferbehälter (ca. 100 Liter) und einer daran angeschlossenen im Feuerraum der Küchenherde befindlichen Rohrwendel zur Wärmeübertragung das Warmwasser für das in den Küchen befindliche Waschbecken vorgehalten.
Gegenüber den sonst üblichen Badeöfen mit Festbrennstofffeuerung hatte die "zentrale Brauchwassererwärmung mit Abwärme" aber einen entscheidenden Nachteil. Dem Bad fehlte eine Wärmequelle und im Winter war es recht unbehaglich, sobald man aus dem warmen Wasser "auftauchte".
Meine Mutter berichtete, dass sie als Kind im Bad fast vergiftet worden wäre, weil ihr Vater einen damals für Lötarbeiten auf Dächern gebräuchlichen tragbaren Holzkohleofen ins Bad gestellt hatte, um den Raum damit zu erwärmen.
Das Bad im Erdgeschoss erhielt im Rahmen des Hinterhausumbaus (ca. 1958, Anbau einer Trockentoilette) einen Kohlebadeofen für die Warmwasserversorgung eines komfortablen Waschtischs und der Stahlblechbadewanne.