Richard Kästner
Nr. 12
0-8601 Gaußig
9. März 1992

Mein Lebenslauf


  Ich wurde in Dretschen, einem kleinen Dorf im Kreis Bautzen, am 19. Januar 1902 geboren. Meine lieben Eltern hatten eine kleine Landwirtschaft mit 4 Kühen, 6 Hektar Nutzfläche mit Wald. Wir waren 5 Geschwister, eine Schwester und drei Brüder. Mein Vater war Nachtwächter im Dorf, er erhielt 80 Mark fürs Jahr - der Bürgermeister 120 Mark.
Als ich das erste Jahr in die Schule ging, waren im kleinen Bahnhof Seitschen, 10 Kilometer vor Bautzen, 2 Waggons russische Kleie angekommen. Die wurde von Pferdegeschirren in mein Nachbardorf in eine Scheune gebracht. Die Kleie wurde zentnerweise für 3 Mark pro Zentner an die Bauern verkauft. Ich fuhr mit meinem Vater mit dem kleinen Leiterwagen einen Zentner holen. Daneben war gleich eine kleine Gastwirtschaft "Gasthof Bergmann" Weißnaußlitz. Mein Vater kaufte sich eine Zigarre für 3 Pfennig und ein kleines Pullchen Pfefferminzschnaps. Durch die Unterhaltung mit anderen Männern kostete ich immer wieder, weil es so gut schmeckte - so war das Pullchen schließlich eben alle. Vater sagte zu mir, Junge, du bist ja närrisch, trinkst den Schnaps fast allein aus. Gegen 11 Uhr fuhren wir nach Hause - einen guten Kilometer. Ich flog an der Deichsel rüber und nüber, Vater schimpfte. Um ein Uhr mußte ich in die Schule, konnte gar nicht gehen, mußte brechen.

Als ich dann 13 Jahre war, sagte meine Mutter, ein Junge muß mir helfen beim Melken, denn das wird mir zu viel für meine Hände. Mein Vater nahm mich und meinen Bruder auf die Wiese und lernte uns das Heu hauen. Im März 1913 war mein Bruder mit meinem Vater im Wald, war etwas Schneeschlicker. Mein Vater trug einen Stamm von ungefähr 3 m Meter Länge und rutschte dabei aus und brach sich einen Oberschenkel und war fast ein halbes Jahr krank. Dadurch ging er bis zum 83. Jahr mit dem rechten Bein lahm.
1912 bis 1913 wurde in Dretschen eine neue Schule gebaut mit zwei schönen Zimmern, sie war veranschlagt mit 45000 Mark. Der Fabrikbesitzer Adolf Friese, dem das Rittergut Arnsdorf gehörte, spendete zu der Schule die Hälfte Geld und Holz dazu. Herr Friese und 2 Brüder von Kirschau erbauten in Kirschau eine neue Kirche. Die Firma Friese war die größte Deckenfabrik von Deutschland. Im Juli/August 1913 weihten wir die neue Schule in Dretschen ein, wo ich 1916 aus der Volksschule entlassen wurde. Meine Mutter war sehr christlich und schickte uns aller 14 Tage in die Kirche.
Mein Vater erlernte mir die Körneraussaat in der Scheune mit der blauen Schürze und das Kleesäen mit 3 Fingern. Als der Weltkrieg am 20. August 1914 ausbrach, waren nur noch 4 alte Männer im Dorf. Ich ging von 7 bis 12 Uhr in die Schule. Nachmittags kamen einige kleine Kuhbauern zu meinen Eltern, kann der Richard einen Wagen Klee hauen kommen zum Füttern. Ein anderer wieder wollte, ich sollte mit den Kühen ackern. Oder wir waren 4 junge Kerle von 16 bis 19 Jahren und sollten früh um 4 Uhr Wiese hauen zum Heu. Keiner wollte als erster hauen bis 100 Meter lange Schwaden - wieder, Richard, haue nur du zuerst.
Ja, mein Vater nahm uns Jungen manchmal die Sense weg und zeigte uns, wie so gewetzt mit der Hamme wird, aufgesetzt nicht mit der Sensenspitze.
  Wie dann der Weltkrieg zu Ende war und im November die Soldaten alle zurückkamen, habe ich bis Frühjahr 1926 unsere Landwirtschaft durchgeführt mit 4 Kühen als Gespann. Mein großer Bruder hatte Schmied gelernt und ging freiwillig im Weltkrieg. Der zweite Bruder übernahm 1926 die elterliche Landwirtschaft. Der jüngste Bruder erlernte 1918 das Schlosserhandwerk in Bautzen.
Ich erlernte 1920 in Gaußig mit 7 anderen Kollegen bei dem alten Musikkapellmeister Albin Stiebitz das Instrumentespielen. Ich wurde leider gezwungen, Baßgeige und Baßhorn zu spielen. Wie wir ein halbes Jahr gelernt hatten, nahm uns der Kapellmeister schon auf verschiedene Säle mit, wie es so vor dem 2. Weltkrieg üblich war, wurden von September bis Ende November die Kirchweihkirmes durchgeführt - da war Sonnabend, Sonntag und Montag Tanz.
1928 erkannte ich beim Spielen zur Kirmesfeier in Großseitschen eine liebe Freundin. Nach Ende der Tanzmusik um ein Uhr nahmen ich und noch ein Kollege unser Fahrrad und ich sagte zu dem Fräulein, fahren sie mit, ich kannte sie schon lange von Gaußig. Ich fuhr mit ihr bis zum Wohnhaus, wo wir in der nächsten Woche einen Treffpunkt hinten am Wald vereinbarten - und so ging die Liebe weiter, bis ich vor Weihnacnten im Wohnhaus mich vorstellte. In der Tasche wenig Geld wurden wir am 4. November 1928 kirchlich getraut und es regnete sehr, was für mich kein gutes Zeichen war - mir legte in Neukirch eine ältere Frau Karten und es stimmte ganz genau.

Meine Frau war die einzige Tochter und hatte nur einen Bruder; (Jahrgang 1900), der im März 1918 noch zum Militär gemustert wurde. Er war in dieser Zeit auf dem Bahnhof Bautzen als Rangierarbeiter tätig und verunglückte mit der Laterne beim Zusammenkuppeln zwischen den Puffern mit den Armen. Sein Vater war im Weltkrieg, die Ärzte telefonierten mit der Mutter, was sie machen sollen. Sie konnte nur sagen, die Ärzte müssen doch selber wissen, was hier zu tun ist. Sie nahmen ihm beide Arme bis kurz vor den Achseln ab. Er kam gleich nach Leipzig ins Krankenhaus, wo er eine 5 Jahre ältere Krankenschwester kennenlernte, die er 1921 heiratete. Er wohnte dann viele Jahre in Bautzen auf der Stieberstraße und war an der Bahn bis 1968 als Depeschenträger tätig.
Er wurde kurz vor Weihnachten krank und als der Arzt am 2. Feiertag um 9 Uhr bei strahlendem Sonnenschein die Tür öffnete, schloß er gerade die Augen. In der Beerdigungsansprache ging der Superintendent Arnold besonders auf sein Leben ohne Arme ein, hat er doch trotz seines Leidens von 1921 bis 1968 tausende Kilometer zu Fuß bei Hitze und bei Schlechtwetter zurückgelegt. Er konnte sich keinen Schweiß wischen und mußte Kollegen dazu ansprechen, so auch zum Verrichten der Notdurft und zum Einnehmen des Essens. Für sein Leben gern rauchte er ein Stäbchen. Er hatte eine Tochter, die noch im Kriege Lehrerin wurde und in Klix und Königswartha und schließlich in Bautzen tätig war. 1951 hatte sie Hochzeit in der Maria-Martha-Kirche Bautzen. Ihr Mann kam aus Rußland zurück. Er war im Schneidemaschinenwerk Perfecta Bautzen Buchhalter und verstarb an einer bösen Krankheit im Mai 1985. Seine Frau Gertraute blieb nun verwitwet in der Damaschkestraße in Bautzen.
  Vor unserem Ort Dretschen liegt der Berg Picho 500 Meter über dem Meeresspiegel. Auf der anderen Seite zum Ort Tautewalde lag am höchsten Kamm ein Waldgrundstück meines Vaters. Mitte 1924 kamen aus dem Dorf Kirschau zwei Steinbrucharbeiter und fragten meinen Vater ob sie sich an der höchsten Spitze Steine herausspellen könnten. Es liegt dort Syenitstein schwarz der sich sehr gut eignet zu Grabdenkmälern. Ich hatte durch die kleine Landwirtschaft manchmal einen halben Tag Zeit und ging bei den beiden Steinbrucharbeitern mit Schaufel und Rodehacke den Stein freizumachen. Als dann der Winter herankam, hörten sie auf, denn der Schnee lag dort meterhoch.
Mein Bruder Wilhelm arbeitete von 1920 bis 1926 (September) im Waggonbau Bautzen als Schmied und wir beide überlegten uns wochenlang, ob wir den Steinbruch selber aufmachten und bauten uns eine Maschinenschotteranlage aus Straßenschotter bis 5 mm Grus bis zur Teerstraße. Ab Anfang Oktober legten wir los. Kein Geld in der Tasche. Ich war ja noch ledig. Mein Bruder wohnte noch in Bautzen auf der Kantstraße. Er hatte dort ein Haus gekauft für 18000 Mark und noch Schulden darauf. Er verkaufte es dann und zog nach Niederneukirch am Bahnhof, bis wir 1933 in Tautewalde selber eins aufbauten.
Wir hatten beim Aufbau für starken Motorraum und Steinbrecheranlage 15 Meter lang schwer mit Steinmassen zu tun, bis die Anlage im Juli in Betrieb kam. Die Steinbrechermaschine kauften wir in Gera, sie war aus Hartguß und hatte ein Gewicht von 80 Zentnern. Dazu mußten wir einen Betonklotz bauen 3,50 Meter hoch und 2,50 mal 2,50 Meter, wofür wir fast 35 Zentner Zement verbrauchten. Die 7 Meter lange Siebtrommel, Durchmesser 0,90 m, bauten wir uns selber. Die Lochrastensiebe bezogen wir aus einer Stahlsiebfabrik. Wir kauften uns einen Zweizylinderdiesel-Motor 60 PS, aus einer Schokoladenfabrik in Dresden, einen Luftkompressor von einer Firma in Zwickau, 2 Bohrmaschinen von der Firma Flottmann. Wir mußten alles erst selber erlernen. Ich bohrte dann durch Geschick bis 2,80 m tief.

Ich mußte im August 1927 nach Demitz-Thumitz das Schießsprengen bei der Firma Kunath mehrmals früh 9 Uhr oder mittags 12 Uhr erlernen. Die Firma Kunath beschäftigte nach dem Weltkrieg bis 1927 3000 Leute, daneben die Firma Sparmann 2000 Mann. In dieser Firma Sparmann war unser Herr Graf Schall-Riaucour Teilhaber. Er heiratete, glaube ich, noch 1908, wo wir kleinen Jungens an einem schönen Nachmittag sahen, wie er 6-spännig in sein Schloß in Gaußig gefahren kam. Seine Frau war groß, stark und sehr hübsch und stammte aus der Tschechoslowakei. Die gute Frau war dann gewisse Zeit nervlich krank. Es wurden 7 Söhne und eine Tochter geboren. Es lebt niemand mehr von dieser Familie, es sind alle verstorben.
Das Schloß gehört seit dem 2. Weltkrieg der Technischen Universität in Dresden und das Rittergut der Treuhand. Das war ein kleiner Bericht vom Grafen, der sehr, sehr gut war. Seine Beamten, vor allem der letzte Inspektor, aßen bessere Stollen und Kuchen, das sagte immer Bäckermeister Frenzel.
Ich wohne schon seit 1928 in Gaußig. Da kann man schon ein Wort mitreden. Das sagte mir schon ein Professor aus Berlin, der vor 25 Jahren plötzlich in meinen Stall kam, da er an der Stalltür 4 Prämienschilder für meine Milchleistung gelesen hatte. Ich lieferte von 8 Kühen zeitweise bis 140 Liter Milch pro Tag mit 4 bis 5 Prozent ab. Der Herr Professor sagte zu mir, ihre Kühe stehen im StaIl wie die Kutschpferde, so sauber, auch die Schwänze.
Als wir dann 1927 richtig anfangen wollten, erlebten wir schon langsam die Arbeitslosigkeit bei den Regierungen Brüning und Stresemann usw. Unsere ersten Arbeiter im Steinbruch aus unserem Dorf waren Martin Röllig, 1910 geboren und zuletzt noch 1945 gefallen und aus Dretschen der gleichaltrige Walter Suschke.
  Sie hatten einen Stundenlohn von einer Mark. 1928 kam der strenge Winter, bis 30 Grad Kälte und bis zu einem halben Meter Schnee, es wurde nicht gearbeitet. Der Schotter wurde mit Pferdegeschirren abgefahren. 1928 kauften wir einen LKW (5 Tonnen), von den Hentschel-Autowerken Kassel auf Abzahlung mit monatlichen Wechseln von 1200 Mark - der Kaufpreis war 23000 Mark. Mein Bruder machte viele Nebenfuhren, dadurch konnten wir kaum die paar Arbeiter bezahlen.
Ich mußte bei meinem Schwiegervater für jede Woche 8 Mark Kostgeld bezahlen. So mußte ich manchmal bei meinem Schwager borgen, der auf dem Rittergut Arnsdorf Inspektor war. Meine Schwester hatte die Küche und 3 Kutscher zu verpflegen und fast 40 Schweine, Hühner, Gänse, Enten und Puten.
Mein Schwiegervater und August Petrick aus dem Nachbarort Günthersdorf gingen nach dem 1. Weltkrieg bis in die dreißiger Jahre bei dem Heu- und Strohhändler Martin Hänchen arbeiten, der das Heu und Stroh jahrelang fürs deutsche Militär lieferte. Ich bin im Winter 1928 selber einige Male mit dabei gewesen. Da wurden die Gebinde zweimal kreuzweise gebunden, zuvor durchgeschüttelt und an der Ziehwaage mit 10 Pfund abgewogen. Der Händler zahlte für den Zentner 24 Pfennig, dann bis 1933 - keine Arbeit und kein Verdienst - zahlte er nur 20 Pfennig und schließlich 10 Pfennig. Was bekommen heute unsere Arbeitslosen bei Gemeindearbeiten, Straßenräumungen, Laubrechen usw., sitzen in den Ecken, rauchen gemütlich und haben einen Verdienst auf dem Dorf von 12 bis 13 hundert Mark. Das ist manchen noch zu wenig, außer diesen Familien, die noch weit über 200 Mark Miete bezahlen. Wir bekamen Ende der 20er Jahre mit zwei Kindern im Dorf 14 bis 16 Mark Arbeitslosenunterstützung.

Jetzt kommt erst einmal das Wichtigste von meinem Lebenslauf. Mein Schwiegervater hatte noch 3 Brüder und 3 Schwestern. Die älteste Schwester war sehr hübsch, schöne Figur, hatte sich wohl schönes Geld gespart, heiratete einen gewissen Bäckermeister mit Kohlenhandel in Arnsdorf vor Dresden, der auch mit Fischen handelte. Er kaufte die Fische faßweise in 200 bis 300-Liter-Fässern von kleineren Karpfen-Fischzüchtern, auch per Bahn, und verkaufte sie nach Dresden weiter an die kleineren Fischhändler. Der beste Verkauf war von Oktober bis Weihnachten, Silvester und dann langsam als 0sterkarpfen.
Mit der Erschießung des Kronprinzenpaares des österreichischen Kaisers Franz Joseph durch Serben in Sarajewo ging am 20. August 1914 der Weltkrieg los. In der nun folgenden Zeit konnte der Bäckermeister und Fischhändler, Herr Paul Pretzsch mit Karpfen, auch Schleie und Forellen gute Geschäfte machen. Er war kein Soldat und holte, wie ich gehört habe, mit einem oder zwei von ihm erworbenen Spezialfischwagen auf der Eisenbahn schon aus ungarischen Teichwirtschaften Karpfen. Die Wagen waren mit Sauerstoffanlagen ausgerüstet.
1929 hatte sich der Fischhandel Pretzsch zusammen mit seinem Schwiegersohn Arthur Kunze aus Chemnitz schon so vergrößert, daß sie bereits 8 Spezialeisenbahnwagen besaßen. Noch ein Lebenslauf von seinem Schwiegersohn in Chemnitz. Sie hatten ein großes Geschäft in Chemnitz auf der Hedwigstraße (vom Anfang bis zum Ende) mit Früchten, Fischkonserven und bezogen von uns nach der Hochzeit Karpfen und Räucheraale, wo gegen 12 Angestellte beschäftigt waren. Arthur Kunze war der einzige Sohn. Sein Vater war, wie man so hörte, mit im Vorstand der Freimaurer, deren Hauptsitz wohl in Chemnitz war, die in Lederschürzen gingen und einen schönen Fechtverein hatten. Er verstarb in den 20er Jahren und seine Frau Mitte der 40er Jahre.
  Der einzige Sohn Arthur Kunze heiratete eben Anfang der 20er Jahre die einzige Tochter von Pretzsch. 1924 wurde die Tochter Sonja und 1931 der Sohn Eckhardt geboren, die beide die höhere Schule besuchten.-
Mein Schwiegervater wurde im Spätherbst nach Dresden-Klotzsche bestellt, um im Fischhandel dort zu helfen. Die Firma Kunze bezog viel Ware per Waggon aus Spanien. Mein Schwiegervater lernte so, von Klotzsche mit 100 Zentnern Speisekarpfen nach Chemnitz zu fahren. Die Wagen waren mit Sauerstoff-Flaschen versehen, an die Manometer angeschraubt wurden und mittels einer von einem 8-PS-Motor angetriebenen Pumpe wurde das Wasser umgewälzt.
Etwa im November mußte mein Schwiegervater früh nach Kamenz, um dort an der Rampe des Güterbahnhofes 2 Wagen Speisekarpfen aus der Teichwirtschaft Deutschbaselitz einzuladen. Mittags wurde ich von Klotzsche telefonisch über unseren Gaußiger Nachbarn Henker aufgefordert, sofort zum Bahnhof Kamenz zu kommen, um mit meinem Schwiegervater 2 Wagen Speisekarpfen nach Hamburg zu begleiten, wo wir selbst eine große Filiale hatten.- Als ich am dritten Tag mit meinem Schwiegervater von Hamburg zurückkam, fragte mich Herr Pretzsch, ob ich Lust hätte, ständig solche Eisenbahntransporte mit lebenden Fischen auszuführen.
Die Fischsaison ging von September bis April (alle Monate mit "R"). Nach langem Reden mit meinem Schwiegervater wurde dann im Kontor alles besprochen. Pretzsch und Kunze und Frau Kunze boten mir einen Wochenlohn von 48 Mark. So holte ich aus Ungarn und Jugoslawien Speisekarpfen und Schleie und bekam neben meinem Wochenlohn noch für jeden Waggon 10 Mark Auslösung, dafür hatte ich die Verantwortung, die Karpfen lebend mit wenig Schaden bis zur Ausladung zu bringen. Mit 2 Kollegen wurde jeder Waggon an der Rampe unter Kontrolle von 2 Zollbeamten ausgeladen und verzollt.
Mein Bruder Wilhelm war ja sehr verärgert, daß ich in das Fischgeschäft gegangen bin. Aber nach dem 1. Weltkrieg bis in die 70er Jahre hatten wir ganz andere Schneewinter, wo im Steinbruch gar nicht gearbeitet werden konnte.

Meine Vereinbarungen im Kontor als Verwandter von Frau Kunze geb. Pretzsch, die eine Cousine von meiner Frau (geb. Riedel) war, bewogen nach Wochen Herrn Pretzsch, daß ich zu ihm "Onkel" sagen sollte. Wie der Großhandel mit Karpfen begann, bekamen wir die ersten Speisekarpfen von Moritzburg bei Dresden mit einem schönen Lastzug mit Hänger mit eingebauter Sauerstoffanlage, die auch ich gleich verstand und so konnte ich die Manometereinstellung in den Wasserholzverteiler vornehmen.
Hiermit möchte ich von unserer Firma über deren Großhandel mit den Großteichwirtschaften berichten. Wir haben von Oktober bis April und Ostern verladen in Deutschbaselitz bei Kamenz, Bahnhof Radibor (Kreis Bautzen), Hoyerswerda, Neschwitz von der Großteichwirtschaft Königswartha des Grafen Viethinghof-Riesch, Großsärchen, Kreba, Reichwalde, Mücka, Uhyst, Niesky, Weißwasser, Peitz und die allergrößte Teichwirtschaft von Deutschland in Oberschlesien in Militsch (einen Kilometer von der polnischen damaligen Grenze) des Grafen von Maltza. Sie erzeugte jährlich 18000 Zentner Speisekarpfen, wo ich im Dezember und Januar sechs Waggons verladen habe.
Dort war es sehr kalt, auch viel Schnee. Militsch war die Stadt, wo das berittene Polizeiregiment ausgebildet wurde. Herr Graf Maltza war Ende 1939 ungefähr 40 Jahre und, soweit mir bekannt wurde, ist schon im Krieg in Polen gefallen. Durch das Kriegsende hatten sich dann die dortigen Teichbrigadiere in unseren hiesigen Teichwirtschaften niedergelassen.
Fischtransporte in der Zeit von 1929 bis 1949 habe ich durchgeführt nach Chemnitz in unser eigenes Geschäft, in unsere Filiale Südgera, dann in die Großfilialen Hamburg, Lübeck, Stralsund, Rostock, Stettin und ferner zu Großhändlern in Berlin.
  Wie ich erfahren hatte, standen sich, bevor Hitler 1933 an die Macht kam, dieser und der "Stahlhelm" an einem Sonntag im Wald bei Klotzsche gegenüber, und es soll dabei eine große Auseinandersetzung um die Bildung der künftigen Regierung gegeben haben.
Der älteste Sohn Joseph von unserem hiesigen Grafen Schall-Riaucour hatte nach meinem Wissen Verbindung mit Obersten von Stauffenberg, der mit anderen Mitgliedern seines Widerstandskreises 1944 Hitler beseitigen wollte. Bei uns hier wurde dann die Mitteilung verbreitet, daß der Graf Joseph in Dresden durch die Straßenbahn verunglückt sei. Seine Leiche soll in einem Sack nach Gaußig zurückgekommen sein. Er wurde im gräflichen Waldfriedhof in Gaußig beerdigt.
Es wäre viel besser gewesen, wenn Hitler nicht an die Macht und der Krieg nicht gekommen wären. Zur Zeit seiner Herrschaft wurde u. a. die Wehrmacht in starkem Maße aufgebaut: Ich selbst wurde 1935 zur ersten "Landwehr" Ende März für 9 Wochen nach Löbau eingezogen. Unsere Ausbilder kamen von Berlin und waren schon damals 12 Jahre im Dienst.
1936 wurde ich im Juni wieder für 3 Wochen eingezogen. Da hatte ich dann Dienst auf dem Heller bei Klotzsche - da ist mancher Schweißtropfen geflossen.
Am 26. August 1939 kam nachts zu uns in Gaußig der damalige Bürgermeister Jatzke ins Haus und überbrachte den Einberufungsbefehl, drei Stunden hatte ich schon im Bett gelegen. Es war gerade Sonnabend, als ich mich in Bautzen um 8 Uhr zu melden hatte. Die Stadt war voll mit Soldaten. Nachmittags und abends - bis in die Nacht hinein - mußte die Ausrüstung zusammengestellt und fertig gepackt sein, einschließlich der Gewehre. Ich war schon in Löbau am Maschinengewehr ausgebildet worden. Da hatte ich bei der Entlassung als "bester Schütze" vom Hauptmann eine Auszeichnung erhalten.

Montag früh wurde unsere Kompanie in eine Scheune des Rittergutes Teichnitz verlegt. Meine Frau und mein Sohn besuchten mich. An diesem Tage wurde es sehr heiß. Wir wurden geimpft. Daraufhin fielen wir alle um "wie die Fliegen". Ich weiß nicht mehr, wann meine Angehörigen weggegangen sind.
In den nächsten Tagen wurde in Bautzen bis zum Sonnabend exerziert. Sonntag früh 4 Uhr wurden wir an der Güterbahnhofsrampe in 3 Güterzüge verladen. Erst sollten wir nach Polen gebracht werden, dann aber wurden wir in Richtung Westen befördert.
Durch die von mir betreuten Fischtransporte war ich auf vielen deutschen Bahnhöfen bekannt. Nachdem unser Zug um 20 Uhr in Kassel eingetroffen war, fragte ich den Aufsichtsbe-amten, der wievielte Militärzug wir heute seien. Er sagte: "Der neunundsechzigste." Wir wurden dann bis zum Bahnhof Kastelaun weiterbefördert. Von dort aus marschierten wir nach Argenthal. Wir waren 18 Männer und wurden in einer Stellmacherwerkstatt untergebracht, wir schliefen da auf Stroh. Dann verlegte man uns durch den Sauerwald hindurch nach Ellern unweit von Simmern. Dort blieben wir bis Anfang November. In der ganzen Zeit wurden mit uns nur Kampfhandlungen durchexerziert. Danach brachte man uns per Gütrzug nach der Stadt Posen im polnischen Warthegau. Dort wurde wieder exerziert.
Um den 20. November herum kam für mich der Entlassungsbefehl, da ich von der Firma Pretzsch & Kunze "uk" gestellt worden war, um wieder Fischtransporte durchführen zu können.
Im Mai 1940 wurde ich wieder eingezogen, zunächst nach Dresden, dann für paar Wochen nach Freiberg, dann Ende Juni nach Plauen im Vogtland. Anfang Oktober wurde ich von Klotzsche aus wieder für die Fischtransporte uk. gestellt.
  In diesen Jahren 1933 bis 1939 hatte unsere Firma eine Aaleinkaufsmöglichkeit in Griechenland entdeckt. Bevor ich jedoch wie meine Kollegen Walter Börner und Herbert Schulze, die auch bei uns arbeiteten, nach Ungarn, Jugoslawien, Türkei (wo ich dann in Konstantinopel zwei Waggons Krebse holte), Griechenland, Bulgarien, Frankreich, Polen und Danzig reisen konnte, mußte ich mir einen Reisepaß von der Amtshauptmannschaft Bautzen besorgen, der 16 Mark kostete. Unsere Firma Pretzsch und Kunze schickte diesen Paß von Klotzsche zum Konsulat nach Berlin. Dort wurden alle Grenzübergangsstationen eingestempelt. Unsere Fischwagen wurden 8 Tage vorher ins Ausland geschickt, je nachdem, auf welchem Bahnhof die Speisekarpfen verladen wurden. Unsere Bahnreisekarte holten wir im Reisebüro Dresden. Gemäß unserem Reiseplan nach Ungarn oder in den 30er Jahren nach Griechen-land ging es im Hauptbahnhof Dresden vormittags um 10 Uhr ab. Mittags in Prag, dann über Lundenburg, Brünn, Bratislava-Preßburg, Kamerno, Komaromi/Ungarn, 23 Uhr Ankunft in Budapest, um zum Beispiel Karpfen laden in der Nähe vom Plattensee oder nach Temeschvar, Pesch-Fünfkirchen oder Stuhlweißenburg und noch andere Stationen oder Weiterfahrt ab 1 Uhr von Budapest nach Jugoslawien über Kelefia-Grenze weiter über Sobotizia und Zugankunft früh 7 Uhr in Belgrad, dort Geld wechseln, schließlich Weiterfahrt nach Griechenland. Ab Belgrad 9 Uhr, Ankunft Nisch 12 Uhr, Weiterfahrt nach Skopje (Ankunft gegen 16 Uhr), dann nach Jevfelia-Grenze (Ankunft 17.30 Uhr), weiter nach Saloniki (Ankunft 21 Uhr), dann nach Athen (Ankunft früh gegen 7 Uhr), von dort ans Mittelmeer. In Athen in den Straßen spaziert bis hin zur Ruine der Akropolis, von dort mit der Straßenbahn zum großen und sehr tiefen Hafen Piräus. Gegen 17 Uhr mit meinem Koffer im Hafen auf ein kleines Passagierschiff umgestiegen und durch die Straße von Korinth (vor Jahren durchgegraben, nur Sandstein, 35 Meter breit, 9 Kilometer lang) nach Patras. Dort kam schon die Meeresflut heran im Durchgang mit 15 Meter hohen Mauern, das muß man gesehen und erlebt haben.

Wir haben 7 Jahre da unten lebende Aale geholt. Ich bin von Patras mit dem Zug bis Prevesa ganz am Mittelmeer gefahren. Dort mußte ich in einer kleinen Gaststätte ungefähr 3 Stunden warten, während dieser Zeit kamen 3 große Zigeunerinnen mit goldenen Ketten am Hals auf mich zu und wollten mir Karten legen. Inzwischen griffen jedoch paar griechische Männer ein und schoben sie aus der Gaststätte. - Bevor der Handel mit Aalen in Griechenland begann, hatte unsere Firma einen guten Handelseinkäufer ermittelt, der gleich in Athen wohnte. - Ich fuhr auch eine andere Strecke, von Saloniki nach Xanthi, wo ich die mit Autos herangebrachten Aale auf dem Bahnhof gleich in unsere Waggons einladen konnte.
Eine andere Bahnfahrt von Saloniki war durchs hohe Gebirge nach Alexandropilus, wo ich auch die lebenden Aale gleich in Waggons einladen konnte. Ich bin dann mit dem Zug an der Meeresküste entlang nach der Türkei gefahren, zurück über Adrianopel-Etirne nach Sofia/Bulgarien, Nisch, Kraljewo, Belgrad, Budapest, Komaromi, Kamerno, Preßburg. - Unten im Hafen von Prevesa, es war da unten am Mittelmeer viel Gebirge, habe ich mit 7 Fischern fast 14 Tage die Aale zusammengeholt, ehe das Schiff in der Adria losfahren konnte, nachdem unsere Einkäufer mit Polizei und Zoll die Ladung von 350 Zentnern erst noch verrechnet hatten.
In der Adria ging die Fahrt nach dem Hafen von Triest. Dort standen, am Ufer unsere Spezialwaggons (4 Stück), in die wir 4 Männer alles umladen mußten und dann ging es über Kufstein, Freilassing, Salzburg, Mühldorf, Schwandorf, Weiden, Hof, Reichenbach nach Dresden-Klotzsche, wo sie unter Zollaufsicht auf unsere LKW umgeladen und in unsere großen Betonbehälter gebracht wurden, die bis zu 1000 Zentner Karpfen und Aale aufnehmen konnten.
  Da wir selbst eine große Räucherei hatten mit 16 Öfen und einen Räuchermeister von Flensburg, wurden die Aale erst entschlachtet, dann kamen 3 Zentner in ein Faß, darüber ein halber Zentner Salz, bis sie tot waren und die Frauen sie ausschlachten konnten und durch die Maschinenwäsche kamen. Die Aale wurden unter kleinem hellen Feuer geräuchert. Die Hackspäne bezogen wir aus der Großtischlerei Hellerau, es wurden nur Buche, Erle und Eiche in kleinen Hackschiefern verwendet, keine Sägespäne.
Es war in den 30er Jahren ein ganz gutes Geschäft, kostete doch damals das Kilo bis zu 4 Mark. - Ich habe auch jedes Jahr in Venedig 100 Zentner eingekauft, auch in Montenegro einen Waggon, in Split auch Aale, Schleie in Jugoslawien (Kroatien) alle Jahre bis 1940. - Weihnachten und Silvester wurden von früh 3.15 Uhr aus den großen Behältern in der Briesnitz 3 Autos bis zu 150 Zentner zur Webergasse in Dresden gebracht, über 30 Zentner nach Radebeul, Meißen, Wilsdruff für die vielen Kleinhändler. - Als wir gegen 17 Uhr zurückkamen, um alles sauber zu machen, sagte nach 13 Uhr Onkel Pretzsch zu mir, mein lieber Richard, du mußt morgen um 10 Uhr mit dem D-Zug gleich wieder 2 Waggons Karpfen aus Ungarn holen, die brauchen wir noch als Silvesterkarpfen. Ich war 4 Jahre Weihnachten nicht zu Hause, habe mich nur auf Bahn herumgesielt - aber es wurde viel Geld verdient. So habe ich 1941 im Gemüsegarten an der Mistmauer 2 Einweckgläser mit 8000 vergraben. Als wir die alte Scheune 1947 neu aufbauten, wollte ich mir das Geld ausgraben und fand es aber nicht.
Ich hatte jedoch auch bei meinem Vater in Wilthen eine schöne Summe hinterlegt. Mein Schwiegervater hatte ebenfalls einen kleinen Bunker geschaffen zum Verstecken, den niemand finden konnte. So habe ich schnell noch den Hof gepflastert, Wasserleitung gebaut, Strohpresse gekauft.

Ende November 1941 mußte ich 120 Zentner Karpfen zu einem Großbäcker bringen. Ich war gegen 20 Uhr dort und konnte so spät nicht mehr ausladen. Gegen 23 Uhr erfolgte ein schwerer Fliegerangriff, nebenan auf einem hohen Hügel schoß die schwere Flak. Ich legte mich unter meinen Fischwagen, dort bin ich vor Zittrigkeit dem Tod von der Schaufel gesprungen. Von diesem Bäckermeister erhielt ich 20 Mark Trinkgeld und einen Räucheraal, den ich auf meiner Heimfahrt gegessen habe - ich brauchte fast zwei Tage nichts mehr.
Nach Koblenz-Ehrenbreitstein schaffte ich auch einen Wagen Karpfen. 1937 brachte ich mit einem Wagen 100 Zentner Aale nach Travemünde in eine Großräucherei. Der Chef kam von Lübeck und überreichte ein Trinkgeld von 40 Mark. - In den Jahren 1933 bis Mitte Juli 1941 holte ich jedes Jahr Anfang Juni aus Danzig-Gottenhafen 2 Wagen Schleie und Aale, so auch jedes Jahr einen Wagen Aale aus Lötzen-Allenstein. Entsprechend dem Auftrag von Herrn Kunze mußte ich von Danzig immer gute Butter mitbringen, denn dort kostete das Stück nur 42 Pfennig, dagegen in meinem Heimatdorf 62 Pfennig.
  Als der Krieg in Polen 1939 zu Ende war, fiel es dem Schwiegersohn Arthur Kunze ein, im Januar/Februar 1940 in Warschau ein neues Geschäft aufzubauen unweit vom Bahnhof. Unser kleines Kontor war nur wenige Meter von dem 4 m hohen Stacheldrahtzaun des jüdischen Gettos. Der Schwiegervater Pretzsch (damals 48 Jahre) von Herrn Kunze war sehr ärgerlich, daß dieser von Chemnitz aus in Warschau mit Karpfen und Heringen handelte. In unserem Kontor waren als Filialleiter Fritz Hengst (der mit mir auch Karpfen in Ungarn geholt hatte) und zwei Deutschpolen angestellt. Der Filialleiter war von Chemnitz aus auch uk. gestellt. Als das Geschäft Anfang März 1940 richtig losging, befand sich Herr Kunze schon 14 Tage dort. Auf einmal hieß es in Klotzsche Herr Kunze ist krank geworden, er liegt im Krankenhaus. In den folgenden Tagen kam von Filialleiter Fritz Hengst die Nachricht, daß Herr Kunze tot ist. Er kam im Wagen zurück und wurde in Klotzsche beerdigt. Nun war hier was los, das Geschäft wurde weitergeführt, ich mußte im Sommer mal 14 Tage mit in den Kleinverkauf. Der Karpfenhandel ging ja erst Ende Januar 1941 wieder los. Die erste Verladung nahm ich dann auf dem Bahnhof Deblin vor. - 1944 mußte dann die Warschauer Filiale aufgegeben werden.
Kurz vor Kriegsende war ich wieder als Soldat in Dresden eingezogen worden und wir lagen im Wald in der Sächsischen Schweiz In Tetschen-Bodenbach hatte ein Cousin von mir eine Fleischerei, bei dem ich mich umkleidete.

Jetzt kommt meine ganz schwierige Rentenangelegenheit. Ich wurde 1967 Rentner, konnte jedoch nicht genügend Rentenquittungskarten vorlegen, da ich im Steinbruch Picho bei meinem Bruder Wilhelm und dann fast 20 Jahre als Verwandter gearbeitet habe, um die Fischtransporte aus vielen Staaten durchzuführen. Ich habe da viel Geld verdient, was viele Leute wußten, aber viele sind nun inzwischen verstorben. In Klotzsche sind noch ein paar Leute, die diese Darstellung in meinem Lebenslauf bezeugen können.
Anfang der Rente bekam ich auch noch bei der LPG durch meine Arbeit 6 Jahre lang 170 Mark und dann später 320 Mark und 340 und bei der Aufwertung 631 Mark. - Vor Weihnachten hörte ich von Herrn Minister Blüm sein Rentengesetz an, wonach alle alleinstehenden Rentner einen Zuschlag von 30 % erhalten würden. Ich meldete mich sofort in der Rentenstelle in der AOK in Bautzen - In zwei Zimmern konnte ich keine Auskunft erhalten, im 3. Zimmer wurde mir gesagt, daß das zutrifft, wenn die Ehefrau ab 1986 verstorben ist, während meine erste Frau 1965 und meine zweite Frau 1983 verstorben seien. Da war ich mit den Versprechungen im Fernsehen von Herrn Minister Blüm wieder schwer reingefallen.
Wenn ich mir da Leute ansehe, was sie früher gearbeitet haben, zwar 4 Kinder hatten, der Mann beim Kreisrat in Bautzen war und paar Jahre bei der SED als Reinemachfrau gearbeitet wurde und heute eine Rente von fast 1000 Mark erhalten!
  Es ist so, Herr Minister Blüm! - Als die Russen 1945 Klotzsche und Dresden besetzten, war ja in unserem Geschäft und im Kontor mit der Buchhaltung, direkt am Bahnhof gelegen, kein Mensch mehr da - es waren ja alle geflüchtet, um den Russen nicht in die Hände zu fallen. Das Kontor wurde aufgebrochen und alle Akten durchgewühlt. Dadurch sind viele Quittungs-karten verloren gegangen und auch die Reisepässe, durch die ich meine umfangreiche Tätigkeit hätte nachweisen können.
Ich möchte hier noch hinzufügen, daß mir gesagt wurde, daß im Seefischhandel die Firma Pretzsch und Kunze die größte in Europa sei. Wir bekamen während des Krieges mehrere Waggons Thunfisch in Eis verpackt für das Militär zum Räuchern aus Rumänien. So erhielten wir auch Stör, der letzte hatte ein Gewicht von 7 Zentnern, wurde in Stücke geschnitten wie Speckstreifen und geräuchert für das Militär.
Hiermit bin ich mit meinen Ausführungen in meinem Lebenslauf mit 90 Jahren gesund. Vater Pretzsch ist 1942 verstorben, Frau Kunze im August 1956. In Hamburg-Altona leben noch Eckhardt Kunze und Schwager Gottfried.

Von hier haben wir 8 Jahre die lebenden Aale geholt =>