Erinnerungen von Helmut Marschner, Diehmen, im Jahre 1991 aufgeschrieben als 74jähriger, mit Ergänzungen von 1997

Opfer des 2. Weltkriegs

(Namen der Opfer des 1. WK auf Tafeln des Krieger-Ehrenmals)
Im Vorraum der Kirche zu Gaußig liegt ein Buch aus, in welchem alle Opfer des II. Weltkrieges namentlich eingetragen sind. Erfaßt sind 275 Namen.
Darunter befinden sich auch die Namen von Angehörigen aus Familien, welche von ihren Heimatorten aus dem Sudetenland, Schlesien, Ost- und Westpreußen, Pommern, Ungarn und Rumänien vertrieben wurden und in den Orten unserer Kirchgemeinde untergebracht wurden.
Eine Frau wurde auch Opfer des Luftangriffes am 13. Februar 1945 auf Dresden. Zwei Männer wurden am 24.4.45 während der Feldarbeit von feindlichen Jagdflugzeugen getötet. Und vier Einwohner von Gnaschwitz wurden am 11. und 12. Mai 45, vier Tage nach Kriegsende, von plündernden Rotarmisten erschossen!

Nachtrag 1995 im Kirchen-Gedenk-Buch Gaußig

Alfred Richard Mehnert, Kl.Gaußig, geb. 13.11.1922 - verm.23.4. 1945
Rudolf Pietsch, Gaußig, geb. 13.12.1922 - vermißt 20.4. 1945
Helmut Otto Schiller, Brösang, geb. 25.9.1919, gef. 16.6.44 in Estland
Richard Kießetz, Brösang, geb. 20.7.1907 - vermißt 1944
Johannes Proske, Gaußig, geb. 17.9. 1927 - vermißt 1945
Joseph Graf Schall-Riaucour, Gaußig, geb. 30.9.08 gest.15.4.44 Dresden Karl ..., geb. 30.9.08, gef.2.6.40 Dünkirchen
Max ..., geb. 27.4.04, verm. 19.7.44 Witebsk
Oktavio ..., geb. 27.10.24, gest. 17.2.44
Nach Kriegsende in Lager verschleppt:
Emil Paul Berndt, Gaußig, geb. 25.1. 1902, abgeholt 2.6.1945
Paul Berndt, Gaußig, geb. 24.1.1898, abgeholt 16.10.1945
Alfred Georg Fritz, Dretschen, geb. 23.4.15 - gestorben 1946 in Bautzen
Paul Erich Heidrich, Arnsdorf, geb. 20.10.1898, + 1946
August Hugo Liebstein, Katschwitz, geb. 16.10.1892, + 31.12.1950
August Pietsch, Gnaschwitz, geb. 22.4.1891, gest.1947 in Buchenwald.

Ein' feste Burg ist unser Gott
kontra - Völker hört die Signale!

Im Jahre 1955 fiel der 1. Mai auf einen Sonntag. Ein Grund für sehr viele Einwohner des Kirchspieles den Gottesdienst zu besuchen. Die SED hatte ihre groß angekündigte Maifeier für den Vormittag im Hauptorte Gaußig angesagt.
Das Gotteshaus war an diesem Sonntage voll besetzt. Und nun ergab es sich, daß kurz vor dem Absingen des Schlußliedes der Demonstrationszug der Kommunisten bewußt um die Kirche herum geleitet wurde. Natürlich unter Abspielen des Kampfliedes "Völker hört die Signale" der Kapelle.
Unser Kantor John reagierte sofort und gezielt mit unserem Lutherlied "Ein' feste Burg ist unser Gott", und zwar holte unser Kantor die größte Lautstärke aus unserer Orgel heraus. Ich selbst habe unsere ehrwürdige Orgel nie wieder so mächtig ertönen hören. Selbstverständlich stimmten auch alle Gottesdienstbesucher mit voller Lautstärke in den Gesang ein. Von den Schalmeienklängen draußen vor der Kirche war nichts mehr zu hören. Alle Kirchenbesucher verließen anschließend mit strahlenden Augen das Gotteshaus.

Erich MÜLLER

Geboren im Jahre 1914 in Gaußig. Kam 1949 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Übernahm 1952 das Amt des Kirchendieners für monatlich ganze 200 Mark, wovon noch 20 Mark Beiträge für Steuer und Krankenkasse abgingen. Sein Dienst bestand aus dem täglichen Mittag- und Abendläuten, wobei ihm häufig ein Mitglied seiner Familie half, die kleine Glocke zu läuten. Ferner hatte er vor den Gottesdiensten die Kirche herzurichten und im Winter zu heizen. An den Wochenenden war der Kirchenvorplatz bis zum Kriegerehrenmal zu kehren. Aufwendig wurden diese Arbeiten, wenn bei Trauungen die Blumen bis zum Altar gestreut wurden und hinterher die Reste vom Kokosteppich gekehrt werden mußten. Viel Arbeit gab es für ihn zu besonderen Feierlichkeiten wie zum Beispiel Erntedankfest oder Weihnachten. Seine Hauptaufgabe aber bestand aus dem Ausheben der Grabstätten, das Herrichten zur Beerdigung und das Schließen des Grabes. Diese Arbeiten waren im Monatsentgeld mit inbegriffen, die Gemeindeglieder bezahlten diese Arbeiten an die Kirchenkasse. Natürlich war E. Müller auch für die Ordnung und Sauberkeit auf dem Friedhof verantwortlich.

Totenbettmeister Erich MÜLLER

In den Jahren von 1952 bis 59 hatte Erich Müller in der Kirche zu Gaußig unter Pfarrer Pahler das Amt des Kirchendieners und des Totengräbers inne. Es waren Jahre des Aufbaues und der Kirchenerneuerung. In diesen Jahren bekam die Kirche neue Glocken, auch wurde eine Dampfheizung(?) im Kirchenraum installiert. Besonders weihevoll aber wurden die Beerdigungen unter der Regie von E. Müller zelebriert. Damals war es noch üblich, daß die Verstorbenen aus dem jeweiligen Dorfe im feierlichen Zuge zum Friedhof nach Gaußig gebracht wurden. Und von da an trat dann unser damaliger Totenbettmeister E. Müller in Erscheinung. Er erwartete den Trauerzug vor dem Eingang zum Friedhof bei der Schule - und zwar im Gehrock und mit Zylinder, setzte sich an die Spitze des Zuges und geleitete den Trauerzug zur Grabstätte. Dort leitete er dann die Aufsetzung des Sarges auf die Gruft und die feierliche Einsenkung in die Grube. Zuvor hatte er das Grab ausgeschaufelt, die Aufschüttung befestigt und mit Planken belegt. Die nächsten Angehörigen des Toten konnten dann gefahrlos das Grab betreten. Außerdem wurde damals die Grube innen mit Tüchern drapiert.
Ich selbst habe damals viele Beerdigungen aus unserem Dorfe miterlebt. Und immer waren wir von dem feierlichen Zeremoniell durch unseren Totenbettmeister sehr angetan. Wir haben es sehr bedauert, daß seine Nachfolger es nicht mehr so handhabten.
Damals war es üblich, daß die Träger oder der Verein, beziehungsweise die Feuerwehr, anschließend in der Gastwirtschaft einkehrten, um - im volkstümlichen Ausdruck - "das Fell zu versaufen"! Wir Diehmener haben dann des Öfteren unseren Erich Müller dazu mit eingeladen. Und stets war er kein Spielverderber in dieser geselligen Runde.

Beerdigungen.

Bis zum Jahre 1965 fanden alle Beerdigungen vom Trauerhause aus statt. Die oder der Verstorbene wurde in der Stube, im Hausflur, im Schuppen oder auf der Scheunentenne feierlich aufgebahrt. Ich kann mich noch erinnern, daß die Dorfeinwohner am Abend vor der Beerdigung von dem Toten Abschied nahmen. Es hieß damals: Der oder Die liegt heute Parade!
Die Beerdigungszeremonie war in verschiedene Kategorien eingeteilt:
1. Erste Klasse / 2. Standrede / 3. Klasse / Kollekte.
Bei Beerdigung erster Klasse erschien der Pfarrer selbst im Sterbehause und hielt auch dort eine Leichenpredigt, begleitete den Leichenzug auch persönlich bis zum Grabe. In den meisten Fällen wurde dem Pfarrer aber eine Kutsche gestellt. Auch begleitete der Kantor die Chorkinder persönlich. Die Pferde des Leichenwagens trugen bei 1. Klasse einen extra Kopfputz.
Bei zweiter Klasse erschien auch der Pfarrer im Sterbehaus zur Abschiedsrede, fuhr aber dann mit der Kutsche voraus zum Friedhof. Auch der Kantor erwartete den Zug vor dem Friedhof.
Bei Beerdigungen dritter Klasse erledigte die Zeremonien im Sterbehause die Heimbürgin. Der Pfarrer und der Kantor erwarteten den Zug vor dem Friedhof. Bei einer Kollekte blieben auch die Chorkinder in Gaußig. Dies alles war lediglich eine Kostenfrage für die jeweilige Familie in der der Trauerfall eintrat.
Verstorbene, die einem Verein angehört hatten, wurden zumeist durch sechs Träger in Ablösung getragen. Der Trauerzug selbst war streng geordnet. Voraus schritt der Kreuzträger, ihm folgten die Chorkinder, danach die Musik und dann kamen die Abordnungen der Vereine. Erst dann folgte die Leiche und dahinter dann die Trauergemeinde. Zum Schluß folgte gewöhnlich das Gespann mit Kränzen. Selbstverständlich hatte der Trauerzug überall die Vorfahrt. Autos und Gespanne mußten am Straßenrande halten.

Glockenweihe in Gaußig.

In Jahre 1955 hatte es die Kirchengemeinde unter der Leitung von Pfarrer Pahler endlich geschafft, die im letzten Krieg abgegebenen Glocken durch drei neue zu ersetzen. Bis dahin wurde nur mit einer kleinen zurückbehaltenen Glocke geläutet. Natürlich sollten dann die drei neuen Glocken im feierlichen Zuge eingeholt werden. Da diese Glocken durch Pferdegespanne eingeholt werden sollten, überredete mich die damalige Angehörige des Kirchenvorstandes von Diehmen, Frau Dora Schlenkrich, eine der Glocken zu fahren, wohl auch, da ich damals zwei Schimmel im Gespann hatte. Natürlich war mir auch klar, daß dies mit viel Arbeit verbunden war. Zunächst setzte ich mich mit dem Schmiedemeister Ernst Hollan aus Dretschen in Verbindung, da er weit und breit der Einzige war, der einen gummibereiften Pferdewagen besaß, welchen er auch sofort zur Verfügung stellte. Einige Tage vor der offiziellen Einholung trafen die Glocken aus der Glockengießerei Apolda mit einem Lastwagen ein. Die Übergabe der Glocken auf die Pferdefuhrwerke fand auf dem Gelände des Zockauer Steinbruches statt, wegen des dort vorhandenen Kranes. Die große Glocke wurde von einem Naundorfer Bauern übernommen und die kleine Glocke fuhr der Bauer Großmann aus Katschwitz. Jeder von uns dreien brachte seine Glocke also erst mal nach Hause. In diesen drei Dörfern wurden dann die Glocken und die Festwagen von den Frauen und Mädchen des Dorfes geschmückt und mit Girlanden behangen. Am Festsonntag ging es dann zum Stellplatz nach Kleingaußig. Eine jede Glocke wurde von 6 Ehrenjungfrauen begleitet. Der Festzug führte dann unter Musikbegleitung zum Kirchenvorplatz nach Gaußig. Hier erfolgte dann die feierliche Einsegnung und Weihe der Glocken. Die Wagen mit den Glocken wurden dann in Gaußig untergestellt und die Glocken wurden dann am folgenden Tage auf den Glockenstuhl im Kirchturm gezogen. Am Sonntag darauf erscholl dann zum erstenmal das feierliche Geläut der neuen Glocken.

Die Geschichte der Jugend-Fahne zu Diehmen!

Und wie sie zu ihrem jetzigen Standort in der Kirche zu Gaußig kam!
Im Jahre 1857 wurde von dem Bauer August Stäglich nach dem Tode seines einzigen Sohnes der Jugend von Diehmen eine Fahne gestiftet, welche von den Frauen des Dorfes bestickt wurde. Das erstemal wurde diese Fahne mitgeführt, als die .Kirchengemeinde ihre beiden neuen große Glocken feierlich einholte. Diese Glocken waren in der Glockengießerei Kleinwelka gegossen worden und wurden mit Pferdefuhrwerken nach Gaußig gebracht. An der Parochiegrenze bei den vier Linden vor Drauschkowitz wurden die Glocken vom Pfarrer im Beisein zahlreicher Vereine in Empfang genommen und im festlichen Zuge durch die geschmückten Dörfer nach Gaußig geleitet. - Diesen mündlichen Bericht gab die Teilnehmerin Helene Myhahn, welche 1928 verstorben ist, im Jahre 1927 zum 70-jährigen Jubiläum dieser Fahne an den damaligen Jugendvorstand Wilhelm Hesse.
1933 wurden alle Jugendvereine aufgelöst und die Fahnen sollten abgeliefert werden. Doch die Diehmener Jugendfahne war plötzlich nicht mehr auffindbar. Damals war Erich Schwager Jugendvorstand, er hat wohl auch diese Versteckaktion geleitet.
Nach dem Kriegsende 1945 tauchte die Fahne wieder auf. Sie wurde 1949 bei der Beerdigung einer Jugendlichen auch öffentlich mitgeführt. Ein Jahr später sollte diese Fahne abermals abgeliefert werden, - worauf sie prompt wiederum unauffindbar verschwand. Die Brüder Alfred und Helmut Biesold waren seinerzeit im Jugendvorstand und man vermutet - ... ? Infolge des jahrelangen Versteckens und immer eingerollt trug die Fahne einige Stockflecken davon. Da sich Herr Pfarrer Frey sehr für diese Fahne interessierte, wurde selbige mit Zustimmung von Erich Schwager und dem Ehepaar Ella und Alfred Biesold, welche die Fahne jahrelang gehütet haben, an die Kirchengemeinde ausgehändigt.

Die große Wende im Herbst 1989

. Auch in unserer Kirchengemeinde ging die Entwicklung im Jahre 1989 nicht spurlos vorüber. Viele unserer Bürger waren unzufrieden und beobachteten die Friedensbewegungen in unserem Land mit großer Aufmerksamkeit. Waren doch die Gotteshäuser vielerorts zu Sammelstellen des Aufbegehrens geworden. Im Oktober ergriff dann unser Pfarrer Frey die Initiative und lud die Bevölkerung am Mittwoch, den 14. Oktober 89 um 19 Uhr zu einer freien Aussprache in die Kirche ein. --- Und es wurde ein voller Erfolg! - Ich habe unsere Kirche in meinem ganzen Leben noch nie so überfüllt gesehen. Sogar die zweite Empore war dicht gedrängt besetzt. Es war ein Mikrofon aufgestellt und ein jeder konnte seine Meinung zum Ausdruck bringen. Unser Pfarrer eröffnete die im wahrsten Sinne des Wortes - Volksversammlung - und erläuterte, daß ein jeder seine freie Meinung vortragen könne. Zuerst sprach ein Vertreter vom "Forum" und dann wurde von vielen Frauen und Männern unserer Gemeinde im weiten Umkreis das Wort ergriffen. Ohne jede Zensur konnte ein jeder frei von der Leber weg seine Sorgen, Nöte und Ansichten vortragen.
Mit einem Gebet wurde dann nach Stunden diese Versammlung geschlossen.

Lebenserfahrungen im 20. Jahrhundert.

(Von H. Marschner 1997, 80-jährig) Geboren noch im Kaiserreich
begann der Lebenskampf sogleich,
das letzte große Hungerjahr
ein schlechter Start fürs Leben war.
Oft war der Kummer auch sehr groß,
manch Kind war fortan vaterlos!
Und dann nach diesem großen Morden,
was war aus Deutschland nun geworden?
Die Inflation rast durch das Land
der Geldwert außer Rand und Band,
Papiergeld überall zu Hauf,
begann der große Ausverkauf! Um unsern Schuleintritt zu lohnen -
die Zuckertüte kostete Millionen.
Dann kamen etwas bessre Zeiten,
man wollte Zukunftsland bereiten,
doch durch Versailles war es klar,
daß dieses niemals möglich war.
Das Rheinland und das Ruhrgebiet
für Jahre unterm Feind verblieb.
Zusammen brach die Weltwirtschaft,
weil man zu viel hat weggerafft.
In jedem Land stand nun verquer
ein großes Arbeitslosenheer.
Am schlimmsten aber, im Vergleich,
war es jedoch im Deutschen Reich.
Fast acht Millionen ohne Brot -
da hub dann an die grobe Not!
Hunger und Elend im ganzen Lande,
gut lebte nur die Spekulantenbande.
So rief man allerorten dann
recht laut nach dem großen und starken Mann.
Auch der war schon da - und was kam jetzt?
Er wurde von Hindenburg in den Sattel gesetzt.
Und dann gings los - es war ganz famos.
Arbeitsbeschaffung und viel Propaganda
Autobahnbau und Lob für den Mann da.
Aufrüstung auch - so ganz nebenbei
Deutschland wird wieder stark und frei,
heim ins Reich wird alles Deutsche bugsiert,
die Roten und Juden aber werden drangsaliert.
Der Osten war nun das nächste Ziel -
nur taugten die Bundesgenossen nicht viel.
Es kam zum zweiten Weltenbrand
und Deutschland hielt sechs Jahre stand!
Dann war das Volk ausgeblutet vom großen Raufen
und das Land ein einziger Trümmerhaufen!
Aus dem Osten Millionen heimatvertrieben -
das Reich nur noch bis zur Oder verblieben.
Auch dieser Rest ward noch verfeilt
in Bund und DDR geteilt.
Im Westen fing bald der Wohlstand an
durch Amihilfe und Marschallplan.
Bei uns jedoch wurde nicht investiert,
dafür aber jahrelang demontiert!
Sogar den zweiten Schienenstrang
die Sowjetunion mit verschlang.
Dann kam noch ein großer Währungsschnitt
70 Mark pro Kopf war das Limit!
Die Führung übernahm das Proletariat,
und die Rote Armee deckte alles, was es tat!
Nur das Volk erkannte bald klipp und klar,
daß alles fast wie früher war.
Von einer Partei ward alles gedrechselt -
man hatte nur die Farbe gewechselt!
Nationale Front und Blockparteien,
offene Wahl, Planwirtschaft und andere Narreteien,
Losungen, Großkundgebungen und Militär,
Ordensverteilung und so weiter - nervten uns sehr.
Das schlimmste aber für unser Land -
man zerstörte gründlich den freien Bauernstand!
Nach dem Westen entfloh nun in Massen der Bauer,
man dämmte es ein durch den Bau der Mauer!
Ein ganzes Volk war nun eingesperrt
und trotzdem ward von Freiheit geplärrt.
Die Führung etabliert sich auf Lebenszeit
und machte sich in Wandlitz breit.
Einzelne Größen entwickelten Feudalmanieren,
'ne Fliegerstaffel flog sie spazieren,
eine separate Insel und Jagdgebiete
waren vorhanden für diese Super-Elite!
Der 40. Jahrestag sollte dann laufen
als besondere Ehrung für diesen Haufen.
Doch das Volk sagte: Nun ist es genug!
wir haben satt diesen großen Betrug!
Zehntausende aber - wohl mit die Besten
wanderten ab nach dem freien Westen.
Die große Masse aber ging auf die Straße
und forderte Freiheit in großer Ekstase!
Mit der Parole: Gewaltfrei und Demokratie
ging es voran - wie in Deutschland noch nie!
In vorderster Front das Sachsenland -
neidlos wird es auch anerkannt,
doch müssen wir auch hier bekennen
und Herrn Gorbatschow benennen -
der vom sturen Stalinismus
erneuern will den Sozialismus!
Wir Alten sehen mit staunendem Blick
wie sich verändert die Republik.
Unsere Hoffnung wird nun vergolten -
es winkt eine Zukunft - die wir immer schon wollten!
Unser Volk wird wieder zusammen sein
von Oder bis zum herrlichen. Rhein.
Und geschafft hat diese Evolution, -
typisch deutsch - die Feierabend-Revolution!

Kriegsende 1945 - Ein Bericht von H. Marschner und R. Jatzke

Der Ort ist durch Kriegseinwirkung bis auf die beschädigten Häuser Nr.57 (Rasche) und in Kleingaußig Nr.15b und 17, unbeschädigt geblieben. Das Kirchendach hatte einen Flakeinschuß.
Wilde Requirierungen und Plünderungen gehören aber seit dem 8.Mai zu den täglichen Erscheinungen. Am 8.Mai 45 rückten die ersten polnischen Soldaten in den Ort ein, nachdem sie am 7. Mai und in der Nacht den Weg durch Golenz genommen hatten. Am 8. Mai hielt ein Auto mit polnischen Soldaten beim Haus von Oberlehrer Schneider und durchstöberten es vom Keller bis zum Boden. Silber, Geld und Wäsche nahmen sie mit. Ihre eigene schmutzige Wäsche ließen sie im Straßengraben liegen. Im Ganzen ist dieses Haus dreimal gründlich ausgeplündert worden.
Auch an den meisten anderen Häusern waren die Haustüren und Fenster eingeschlagen worden. Auch die Schaufenster der Geschäfte wurden durch Gewehrschüsse zertrümmert. Beim damaligen Bürgermeister Jatzke wurde die einzige Kuh, Motorrad und Fahrrad mitgenommen. Das Schloß wurde täglich von einem Kutschwagen und einem großen Pferdefuhrwerk besucht und die Gespanne fuhren stets voll beladen wieder ab. Zu allen Zeiten kamen auch russische und polnische Soldaten mit Fahrrädern oder zu Fuß und plünderten in den Häusern. Auf diese Weise wurden viele wertvollen Einrichtungen, Gemälde und Geschirr aus dem Schloß geholt.
Auf dem Rittergut gibt es weder Pferde, Kühe, Schweine oder Hühner. Mehrere 1000 Zentner Kartoffeln für Saatgut oder Deputat gerechnet, wurden abgefahren. Vom Bürgermeister wurden sämtliche Motorräder, Schreibmaschinen, Stoß- und Schußwaffen des Ortes verlangt. Darüber hinaus die Lieferung von Schnaps und Wein. Das Beschaffen war immer eine Qual. Es hieß immer:"In einer Stunde Schnaps und Wein usw. - sonst Erschießen!" In einem Dorf, wo es so viele Arbeiter und nur kleine Bauern gibt, waren solche Mengen gar nicht aufzutreiben. Es ging so weit, bis das Schloß und das Rittergut gänzlich ausgeplündert waren. Sogar der Abendmahlswein der Kirche wurde beschlagnahmt.
Der Familie Gärtner stahlen am 15. Mai polnische Soldaten ein neues Fahrrad, am 14. eine Taschenuhr, am 16. durchwühlten sie die ganze Wohnung und nahmen Ringe sowie alle Wertsachen mit. Am 18. kamen sie wieder und warfen die ganze Wohnungseinrichtung durcheinander, ohne Wesentliches mitzunehmen. Der Familie Pröger (Gendarm), nahmen sie am 16.5. etliche Meter Wollstoff, einen Fotoapparat und eine Kiste Zigarren. Diesmal waren es Russen, die auch noch die übrigen Familien des Gemeindehauses heimsuchten. Am 14. und 25. wurde der Familie Nitsche (Brauerei), 1 Herrenanzug, 1 Lederjacke und Wäsche weggenommen. Der gegenüber wohnenden Frau Hallmann wurde das Motorrad weggenommen. Die schlimmsten Plünderer waren aber die Polen, die angeblich vom Bautzener Flugplatz kamen. Sie waren der Schrecken der Einwohner.
Nach den Polen kamen die Russen, die auf der Suche nach Schnaps (… (Namensnennung vom 2015 noch lebenden Zeitzeugen nicht erwünscht) vergewaltigten. Uhren, Schmuck, Wertsachen und Schnaps zu plündern, war das Streben kleiner russischen Gruppen von 8 bis 10 Mann, die nunmehr jeden Abend erschienen. Mit Vorliebe nahmen sie Heimkehrern ihr Flüchtlingsgepäck. Oberlehrer Schneider, der sie zu belehren versuchte, erhielt mit dem Kolben einer Maschinenpistole einen schweren Schlag gegen den Magen. Täglich erschienen weitere Soldaten mit Fahr- und Motorrädern, die vorgaben, Waffen und Fahrzeuge zu suchen im Dorf. Die später kommenden russischen Soldaten erzwangen mit den Worten "Kontrolle" Eingang in die Häuser. Je nach Laune der Eindringlinge und Geschick des Einwohners verlief die Hausdurchsuchung mehr oder weniger tragisch, gewöhnlich wurde es eine erneute Plünderung.
Daneben wurden täglich von den Bauern Lebensmittel verlangt. 50 bis 80 Liter Sahne, 100 bis 200 Stück Eier, Butter und so weiter verlangt und erzwungen. Pökelfässer und Rauchkammern wurden sämtlich im Ort ausgeplündert. Gleiches erfuhren die Einweckgläser. Mitunter wurden sie wegen zu wenig Zucker gleich weggeschüttet. Meist mußte der Ausgeplünderte noch einen guten Imbiß stellen, 2 bis 3 Eier, Wurst und Butter. In vielen Fällen zahlten sie mit deutschen 20-Mark-Scheinen.
Die vielen Lebensmittelrequirierungen gingen natürlich der Bevölkerung verloren. Das Dorf verfügte noch über etwa 80 Milchkühe, wovon die Hälfte tragend war. 88 Kleinkinder mußten Vollmilch bekommen, es reichte aber nur knapp für die Hälfte. Die stillenden Mütter können nichts erhalten. Die Butter und Fettration beträgt 40 Gramm wöchentlich, Brot reicht nur für 2 Pfund die Woche. Der Bevölkerung nutzt es gar nichts, wenn die Russen die entnommenen Nahrungsmittel bezahlen. Sobald Motorenlärm zu hören ist, flüchten Kinder und junge Frauen in die Felder oder in sonstige Verstecke. Diese Angstpsychose wird natürlich durch viele Gerüchte genährt. Es gibt natürlich auch Fälle von freundlichen und korrekten Auftreten von Angehörigen der Besatzungstruppen.
Seit dem 5.Juni 45 wird in Gaußig wieder Schule gehalten. Leider wurde diese Beruhigungsmaßnahme der Behörde für die Bevölkerung sehr gefährdet infolge zweier Plünderungen im Schulhaus. Am 4.6. brachen zwei russische Soldaten durch das Handarbeitszimmer in die Wohnung des Lehrers Merkner ein. Einen Herrenanzug und andere Sachen nahmen sie mit. Ein Unteroffizier mit deutscher Militärmütze und russischen Fliegerabzeichen wollte alles anbrennen und alle Bewohner erschießen. Oberlehrer Schneider wollte er eine Flasche Sekt über den Kopf schlagen. Am 8.6. erschienen wieder 4 Russen um 21 Uhr in der Schule, zerschlugen die Vorsaaltür der Merknerschen Wohnung und drangen ein. Die Russen waren betrunken, wie der zur Hilfe gerufene Bürgermeister feststellte. Dem früheren Schulleiter Thar, der zum Schutze der Frau Merkner in deren Wohnung weilte, wurde eine Handluftpumpe über den Kopf geschlagen. Frau Merkner wurde vergewaltigt. Auch ein Koffer voll Kleidung wurde gestohlen.
Die ehemaligen Soldaten Mühle, Katzer, Fischer und Wehs wurden von der Gemeinde als Ortspolizisten, natürlich ohne Waffen, eingesetzt. Sie versuchten in Güte die herumstreunenden Soldaten aus dem Dorf zu bringen. Eindringlinge haben auch im Bahnwärterhaus Zockau schrecklich gehaust. Dem Invaliden des ersten Weltkrieges, Deutschmann, wurde sein Beinstumpf derart zerschlagen, daß er lange Zeit die Prothese nicht anschnallen konnte. Seine Frau wurde ebenfalls gequält und das ganze Heu vom Boden auf den Hof geworfen. Die Begleitumstände vieler Übergriffe und Plünderungen, hauptsächlich beim Bürgermeister und bei Merkner, lassen darauf schließen, daß Verrat durch deutsche Bürger im Spiele war.
Weiter wurde bekannt, daß der Familie Katzer in Günthersdorf ein Radio und Bargeld genommen wurde. Der Familie Tschimmer Stiefel und Schuhe. In den Wirtschaften Tharank, Bayer und Lehmann Motor- und Fahrräder, Schmuck, Kleidung, Koffer und Rucksäcke, Lebensmittel und Geflügel. Bei August Mehnert nahm man eine Lederjacke und einen Fotoapparat. Bei der Familie Kaufer und Günther verlangte man gleiches. Am 7.6.erschienen Russen aus der Richtung von Diehmen, die eine Kuh an den Wagen gebunden hatten. Die Soldaten sperrten alle Zugänge zum Rittergut ab und verhinderten mit Waffengewalt jede Hilfeleistung. Sie holten einen Wagen und zwei Pferde, wobei sie Schreckschüsse abgaben und fuhren dann mit ihrer Beute davon.
Ende Mai erhielt Gaußig 18 sowjetische Offiziere, die Quartier und Verpflegung verlangten. Der Tagessatz war so hoch wie für einen Einwohner die ganze Wochenration. Diese Verpflegung kostete weit über 1000 Mark. Ferner mußte die Gemeinde Pferdegeschirre stellen, da sich die Offiziere die Umgebung ansehen wollten. Die meisten Fahrten gingen nach Wilthen zur Firma Hünlich, um Branntwein zu holen Außerdem mußte der Brennereimeister Proske Kartoffelschnaps in der Gutsbrennerei herstellen. Trotzdem muß man aber sagen, daß das Verhalten dieser Offiziere der Bevölkerung gegenüber erträglich war. Ein Oberst von ihnen ist sogar für die Bevölkerung eingetreten und hat vielerlei Härten gemildert.