Kirchgemeindenachrichten Juni 1998
mit Ergänzungen aus KGN November 2006
Die Pfarrersfamilie Reinisch/Noack

Das Gaußiger Pfarrhaus wurde 1750 bis 51 gebaut. Dies ist kein Zufall, denn das 18. Jahrhundert gehörte für unsere Kirchgemeinde zu den großen Zeiten. Außer dem Pfarrhaus wurde Schloß und Orangerie, Kirchturm und Gasthof, die Schäferei und die Kleingaußiger Mühle errichtet. Die vorangegangene lange Friedenszeit nach dem 30-jährigen Krieg war für das schwer heimgesuchte Land auch bitter nötig.
In diesem Jahrhundert von 1706 bis 1811 wirkte in unserer Gemeinde eine Pfarrerfamilie, in der Großvater, Vater und Sohn jeweils über 30 Jahre das Pfarramt inne hatten. Matthäus Reinisch, der erste dieser Gaußiger Pfarrersfamilie, wurde 1671 in Dolgowitz bei Löbau geboren. Von ihm sind Klagen über den schlechten Zustand des Gaußiger Pfarrhauses erhalten. Dieses Haus war 1648, wohl durch Unachtsamkeit, niedergebrannt, und weil die Zeiten schlecht wie nie in der Lausitz waren, nur notdürftig aufgebaut worden. Obwohl seine Vorgänger rasch wechselten, blieb Matthäus Reinisch 38 Jahre lang Gaußiger Pfarrer.
Von Matthäus Reinisch ist ein barocker Grabstein erhalten geblieben, der vom hohen Können der damaligen Steinmetzen in unserer Heimat zeugt.
Sein Nachfolger war sein Schwiegersohn Andreas Noack, geboren 1706 in Dretschen. Andreas Noack tauchte oftmals in Urkunden des Schloßarchives Gaußig und des Staatsarchives Dresden auf, übernahm er doch im Auftrag der in seiner Amtszeit oft wechselnden Herrschaften die Eidesleistung und Treueermahnung des Personals.
  1747 kaufte Graf Brühl das Gaußiger Schloß, der es drei Jahre später dem Grafen Keyserling weiterverkaufte. Während Graf Brühl, wahrscheinlich durch viele andere Aufgaben abgelenkt, seine Patronatspflichten etwas schleifen ließ und bis heute noch eine Summe von 738 Talern "in der Luft hängt", übertraf dessen Nachfolger alle Erwartungen. Mit großer Energie widmete sich Graf Keyserling seinem neuen Besitz. Eine seiner ersten Handlungen war die Neuerrichtung des Gaußiger Pfarrhauses. Aus den vorhandenen Bauresten des alten wurde durch einen geschickten Architekten ein symmetrisch wirkendes Gebäude erstellt. Die Absicht, dem Schloß ein würdiges Gegenüber zu schaffen, war gelungen.
In der Gaußiger Kirche heiratete der Sohn des Grafen, Heinrich Christian, am 12. Mai 1752 die Comtesse Erdmuth Catharina von Dallwitz aus dem Hause Königswartha. Da die Familie Keyserling hoch musikalisch war, ist anzunehmen, daß Friedemann Bach, der Lieblingssohn des Leipziger Thomaskantors und Johann Goldberg, einer der begabtesten Cembalisten des 18. Jahrhunderts, der zu dieser Zeit in Dresden am Hof des Grafen Brühl lebte, auf dieser Hochzeit musizierten.
In die Amtszeit Andreas Noacks fielen die Prüfungen, die der Siebenjährige Krieg unserer Heimat auferlegte. Wie sein Schwiegervater, so hatte auch er den Tod von Kindern zu beklagen, an die auf seinem Grabstein erinnert wird. Mit dem Kreuzeswort Jesu "Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist" gab er nach 36 Jahren Pfarramt sein Leben in die Hand seines Schöpfers zurück. Im Turm unserer Kirche steht der Grabstein von Pfarrer Andreas Noack. Zu seinen Lebzeiten wurde auch der neue Kirchturm errichtet (1786).

Ihm folgte sein Sohn Gottlob Ehrenfried Noack, der 1746 in Gaußig geboren wurde. In seiner Amtszeit ließ der Patron Andreas Reichsgraf von Riaucour den Kirchturm errichten. Er erlebte die Anfänge des Gaußiger Parks und die Neugestaltung des Schlosses durch Gräfin Henriette Schall-Riaucour. Sein Tod 1811 fiel in die Zeit der Napoleonischen Kriege. Leider ist sein Grabstein nicht mehr lesbar. Im Pfarramt hat sich das Testament seiner Schwester Maria Erdmuth Noack erhalten, in dem sich folgende Nachrichten über die Familie befinden. Das Testament beginnt wie folgt:
"Ich empfehle zu förderst meinen unsterblichen Geist der Barmherzigkeit Gottes in der gläubigen Zuversicht, daß er denselben nach seiner Trennung vom Körper um des Verdienstes seines Sohnes, unseres Heilandes willen auf- und in die Wohnungen des ewigen Friedens annehmen wird."
Sie bezeichnet darin Herrn Christoph August Noack, Schullehrer in Gnaschwitz als "mein einziges dermale noch lebendes Geschwister". Ihm vermachte sie 2000 Taler. 600 Taler vermachte sie der Gaußiger Kirche und bestimmte, daß mit den Zinsen dieses Legats, die "meiner Familie gehörigen sechs Leichensteine, nämlich dem meines seeligen Vaters, Herrn Andreas Noack, weihland Pfarrer in Gaußig, der meiner seeligen beiden Großeltern dem Pastor Reinischschen und dem meiner bereits verstorbenen Geschwister im guten Stande jederzeit erhalten, alle daran entstehende Schadhaftigkeit baldigst repariert und diese Leichenstein selbst aller zehn Jahre von Neuem abgeputzt werden sollen". Dafür stehen dem Gaußiger Pfarrer drei Taler jährlich zu.
  Erdmuth Noack war eine vermögende und gebildete Frau. Ihr Legat hat bewirkt, daß beim Abriß der Gaußiger Kirche, wo sämtliche alten Grabsteine zerstört wurden, wenigstens die ihrer Familie erhalten blieben. Sie wurden 1873 von der alten Pfarrerbegräbnisstelle, die sich in unmittelbarer Nähe des Pfarrhauses befand, auf den neuen Friedhof überführt. Neu aufgestellt wurden sie an dem Ort, der der Kirche am nächsten liegt. Durch die Witterungseinflüsse sind viele Grabsteine der Familie Noack zerstört worden. Um weiterem Verfall vorzubeugen, wurden die zwei gut erhaltenen in der Winterkirche aufgestellt. In stark verfallenem Zustand präsentiert sich das Grab von Maria Erdmute Noack auf dem Bautzener Taucherfriedhof. Auf ihrem Epitaph ist folgende Inschrift:
"Hier ruhet Jungfrau Marie Erdmute Noack, die Tochter Herrn Andreas Noacks weil. (verstorben) treuverdienten Pfarrers in Gaußig und Frauen Christianen Sophien, geb. Rheinisch. Sie war geboren in Gaußig am 22. Januar 1744 und starb in Budissin am 27. August 1824. Ihre aufrichtige Frömmigkeit und ihr biederer Sinn erhalten ihr Andenken bey allen, die sie kannten, ihre Wohltätigkeit gegen die Kirche ihres Geburtsortes, um das hiesige Waisenhaus aber auch bei der Nachwelt in Ehren und Segen ".

Pfr. Gerd Frey