Kirchgemeindenachrichten März 2004

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Es zeigt die Konfirmanden des Jahrgangs 1938 mit Pfarrer Niedner auf der Schlossveranda. Dieses Bild ist am 25. März 1938 bei der Konfirmandenprüfung aufgenommen worden.


Aus der Vergangenheit von Gaußig
Programm Pfarrereinholung
1. Der Einholungstag: Mittwoch, den 25. Januar 1928
Ankunft des Herrn Pfarrer Niedner in Seitschen l.55 Uhr nachmittags. Der Wagen der Frau Gutsbesitzerin Helene verw. Hänsel aus Kleingaussig steht an der Bahn. Empfang durch die Herren Löhnert, Preusche und Pöthig. Abfahrt nach Gaußig
2. Ankunft in Kleingaußig,
Beginn des Glockengeläutes. In Kleingaußig stehen: l. Die Konfirmanden, 2. freiwillig beteiligte Schulkinder, 3. die Jugend, 4. die Herren Lehrer, 5. die Herren Bürgermeister, 6. Vereine, Männergesangverein Gaußig, Militärverein Gaußig, Militärverein Gnaschwitz, Landwirtschaftlicher Verein, Stahlhelm, Jungdeutscher Orden, Verein der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, Kleinkaliberschützenverein, Sportverein, Unterstützungsverein, Feuerwehren, Zugordnet ist Herr Branddirektor Pietsch, Diehmen.
l. Begrüßung: Die Konfirmanden.
Die Lehrer
Bürgermeister Jatzke, Gaußig; Christine Jatzke (Gedicht)
3. Ankunft in Gaußig an der Pfarre.
l. Aufhören des Glockengeläutes.
2- Begrüßung durch Herrn Pfarrer Wehser, Göda
3- Gesang (Nun danket alle Gott. Lied No. 529, l.u. 2. Vers.
4. Willkommensgruß des Pf. i.R- Herrn Handrick, Bautzen.
5. Ansprache des Herrn Pfarrer Niedner.
6. Gesang (3. Vers vom Lied: "Nun danket alle Gott"),
Der Tag der Einweisung ist der 29. Januar 1928, vorm. 9 Uhr. Kirchenvorstände 1/2 9 Uhr im Konfirmandenzimmer.
Vereine stellen ebenfalls 1/2 9 Uhr in derselben Reihenfolge wie am Mittwoch, vor der Pfarre.


 

Gaußig (Pfarrereinholung)
Wer am vergangenen Mittwoch als Fremder durch unseren Ort Gaußig kam, der wird sich wohl gewundert haben, welch ein festliches Aussehen unser Ort an diesem Tag hatte. Fahnen wehten an den Häusern und vom Kirchturm herab grüßte zum ersten Male in Gaußig eine neue Kirchenfahne. Dazu boten Ehrenpforten und Girlanden ein herzliches Willkommen.
Und wer nach dem Grunde fragte, warum unser Ort so festlich geschmückt sei, der erhielt überall die frohe Antwort: "Heute holen wir unseren neuen Pfarrer ein."
Und so war es. Mit dem Mittagszug von Dresden kommend, traf der neue Gaußiger Pfarrer, Herr Pfarrer Niedner, aus Leipzig mit Gemahlin und Kindern in Seitschen ein. Auf dem Bahnhof erwarteten ihn die Herren Kirchenvorstände Löhnert, Preusche und Pöthig. Nach dieser ersten Begrüßung bestieg Herr Pfarrer Niedner mit Frau Gemahlin den bereitstehenden Landauer der Frau Gutsbesitzerin Helene verw. Hänsel aus Kleingaußig, während die Kinder des Herrn Pfarrer und die Kirchenvorstände in zwei weiteren Wagen folgten - in flotter Fahrt ging es nun nach Kleingaußig - Hier stand die erste Ehrenpforte mit dem ersten Willkommensgruß, gewunden von den Gemeinden Golenz und Drauschkowitz. Feierliches Glockengeläut der Kirche zu Gaußig setzte ein und die Glocken entboten aus der Ferne dem einziehenden Pfarrer den ersten Gruß. Ein fast unübersehbarer Zug erwartete in Kleingaußig den neuen Pfarrer. Hatte sich doch alles, was irgendwie abkommen konnte, aufgemacht, um dem neuen Pfarrer entgegen zu gehen. Der Wagen mußte halten.


Die Musikkapelle, die die Jugend von Naundorf mitgebracht hatte, spielte den Choral: "Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre", darauf traten Konfirmanden an den Wagen. Die Knaben überreichten durch ihren Primus dem Herrn Pfarrer Niedner als Willkommensgruß ein Gesangbuch, während Frau Pfarrer Niedner durch die Mädchen mit einem Blumenstrauß geehrt wurde. Dann trat die Abordnung der Herren Lehrer an den Wagen. Herr Lehrer Schneider sprach im Namen der Lehrerschaft den Willkommensgruß. Weiter war der Bürgermeister von Gaußig, Herr Jatzke, mit einem Gemeindevertreter und dem Gemeindeältesten erschienen und rief im Namen der politischen Gemeinde dem neuen Pfarrer mit Familie ein herzliches "Willkommen" zu. Er betonte, wie sich die Gaußiger Gemeinde freue, daß nun wieder frisches Leben in das Gaußiger Pfarrhaus einziehe, nachdem die Fenster der Pfarre so lange öde und traurig in das Land geschaut hatten. Dann sprach noch die Tochter des Bürgermeisters, Christine Jatzke, mit einem lieblichen Gedicht den Willkommensgruß der Kinder aus und überreichte einen Blumenstrauß - Herr Pfarrer Niedner war sichtlich überrascht von dem herzlichen Empfang und dankte in bewegten Worten.
Alsdann ordnete sich der ganze Festzug zum frohen Einzug in Gaußig selbst- voran die Musikkapelle der Naundorfer Jugend, dann die Jugend von Gaußig, Diehmen, Dretschen und Naundorf. Der Jugend folgten die Konfirmanden, dann kam die große Schar der freiwillig beteiligten Schulkinder. Es folgte der Wagen des Herrn Pfarrer Niedner und der Wagen der Herren Kirchenvorsteher. Hinter den Wagen schlossen sich im Zuge weiter an die Deputation der Herren Lehrer, die Bürgermeister, der Landwirtschaftliche Verein Gaußig, Dretschen und Gnaschwitz und Umgegend, der Gesangverein Gaußig und die Militärvereine Gaußig und Gnaschwitz.

 

Weiter bewegten sich im frohen Zuge das Kasino der jungen Landwirte, der Jungdeutsche Orden, der Unterstützungsverein, die Frauenvereine von Gnaschwitz und Gaußig. Den Schluß bildeten die Feuerwehren von Diehmen, Arnsdorf und Gnaschwitz. Welch ein buntes Bild, das noch verschönt wurde durch die vielen Fahnen und Banner der verschiedenen Vereine.
G a u ß i g (Pfarrereinholung)
Fortsetzung in 2004 April
Welch ein buntes Bild, das noch verschönt wurde durch die vielen Fahnen und Banner der verschiedenen Vereine, die einzeln aufzuzählen unmöglich ist. Dank der umsichtigen Leitung des ganzen Festzuges durch den Zugordner, Herrn Branddirektor Pietsch aus Diehmen, wurde der fast unübersehbare Festzug bald geordnet und nun konnte es unter Glockenjubel nach Gaußig gehen. Überall grüßten die Ehrenpforten in Gaußig. So war die Ehrenpforte an der Parkecke gewunden von den Gemeinden Günthersdorf und Zockau, die an der Schmiede von der Jugend von Gaußig, und die an der Pfarre vom Gaußiger Frauenverein.
Schon lange vorher mußte an der Pfarre ein Zug Feuerwehrleute Absperrdienste tun, um hier wenigstens vor der auch hier sich drängenden Menge für den Festzug Platz zu schaffen. An der Pfarre stand die Kirchgemeindevertretung von Gaußig mit Herrn Pfarrer Wehser und Pfarrer Handrick. Auch die Schloßherrschaft von Gaußig hatte sich zum Willkommen eingefunden, was überall mit sichtlicher Freude begrüßt wurde. Herr Pfarrr Wehser aus Göda entbot als vicarius perpetuus von Gaußig dem neuen Amtsbruder den ersten Willkommensgruß der Kirchgemeinde, den er in die Worte kleidete:
"Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hilfe kommt".


Herr Pfarrer Handrick, der 36 Jahre in der Gemeinde Gaußig seines Amtes gewaltet hatte, grüßte mit tiefbewegten Worten als der Vorgänger des neuen Pfarrers den neu einziehenden Seelenhirten mit dem Geleitwort:" Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein". Herr Graf Schall-Riaucour betonte die Jahrhunderte alten freundschaftlichen Beziehungen, die zwischen Schloß und Pfarre bestanden hatten und er hoffte, daß dies auch in Zukunft so bleiben möge. Noch einmal ergriff der Pfarrer Niedner das Wort und dankte mit großer Ergriffenheit für alles, was ihm heute an Liebe und Vertrauen entgegen gebracht worden war. Er sprach die Hoffnung aus, daß er mit Gottes Hilfe hier eine rechte Heimat finden möge. Mit dem Gesang "Nun danket alle Gott" fand die Feier ihr Ende. Noch vor der Pfarre verabschiedete man sich, soweit das überhaupt möglich war, von der neuen Pfarrersfamilie, um sie bei der Freude nicht zu stören, die im Pfarrhaus selbst noch auf sie wartete. Denn es war doch gerade Vogelhochzeit! Und so hatten dann auch die Gaußiger Vögel in Gestalt treuer Kirchenglieder dafür gesorgt, daß dieses Fest der Lausitz, wenn auch gewollt, von der neuen Pfarrersfamilie mitgefeiert werden konnte. In der Mitte des Zimmers stand ein kleines Tischchen, auf dem Brot, Salz und ein Stück Butter lagen. Dahinter aber stand ein langer, langer Tisch voll lieber Gaben, die in Gestalt von Äpfeln, Eiern, Butter, Würsten und Schinken und geschlachtetem Federvieh sicher die Einzugsfreude erhöht haben.

 

Im Nebenzimmer aber stand die gedeckte Kaffeetafel und lud nach aller Aufregung und Freude die Pfarrersfamilie zum ersten gemütlichen Kaffeestündchen und Ausruhen ein. Im Herzen jubelt die Gaußiger Kirchgemeinde noch einmal ihren lieben Pfarrersleuten ein "Herzlich Willkommen in Gaußig" zu.

Gedicht, vorgetragen am Einzug des Herrn Pfarrer Niedner aus Leipzig, am 25. Januar 1928,

Wir alle, herzlich hocherfreut,
wir heißen Sie willkommen heut,
Sie hat des Höchsten Vaterhand
jetzt unsrer Kirchfahrt zugesandt.
Uns, den Verwaisten, hebt das Herz
sich froh und dankbar himmelwärts.
Und wir, die Kinder, stimmen ein:
Gesegnet mag Ihr Eingang sein.
Und wenn Sie dann als Gottesmann
uns führen auf der Tugend Bahn,
so mögen hier, nach vielen Müh'n,
nur sel'ge Freuden Ihnen blüh'n.

Christine Jatzke


Kirchgemeindenachrichten August 1990

Ca. 1930: Pfarrer Niedner, im hellen Anzug, führte, gemeinsam mit dem Gemeindevorsteher, die Kinder auf die Wiese am Töpferdamm. Allerlei Vergnügungen waren dort vorbereitet. Kurz vorher hatte ein Kindergottesdienst in der Kirche alle Festteilnehmer vereint.
Aus einem Bericht des Pfarrers Waltsgott:
"... Auf Bitten von Pfarrer Niedner, Gaußig, übertrug mir die Superintendentur Bautzen die Vertretung von Pfr. Niedner in den Kirchgemeinden Göda und Gaußig für den Monat Juli 1945. Da Ende Juli 1945 das Pfarrhaus in Göda frei wurde, verlegte ich auf Anordnung der Superintendentur Bautzen meinen Wohnsitz von Medewitz nach Göda. Dort wurde ich nach Rückkehr des zuständigen Pfarrers Wehser aus Taucha bei Leipzig von August 1945 bis Ende März 1946 zur Hilfeleistung für Pfarrer Wehser nach Göda abgeordnet.
Pfarrer Niedner, Gaußig, wurde durch das Landeskirchenamt in Dresden "zur Erfüllung einer sehr wichtigen Aufgabe im Rahmen des Hilfswerkes in Brasilien" für ein Jahr beurlaubt.

 

Deshalb wurde ich durch das Landeskirchenamt vom 1.April 1946 an zu seiner Vertretung nach Gaußig abgeordnet und bezog einen Teil der Dienstwohnung im Pfarrhaus Gaußig, in dem neben der Mutter von Pfarrer Niedner und ihrer Haushaltshilfe noch ein schlesisches Umsiedler-Ehepaar (Fam. Steglich) mit einem Kleinkind wohnte. Der Pfarrdienst in der aus 17 Ortschaften bestehenden Kirchgemeinde Gaußig machte mir sehr viel Freude, obwohl die äußeren Bedingungen zum Teil sehr schwierig waren. Aber mit dem zum Glück vorhandenen und fahrbereiten Dienstfahrrad konnte ich auch in den Außendörfern, die sich nach dem Zusammenbruch der national-sozialistischen Gewaltherrschaft ergebenden Möglichkeiten kirchlicher Gemeindearbeit wesentlich besser wahrnehmen als zuvor in Göda, wo ich die Außendörfer und die 6 Unterrichtsorte nur zu Fuß erreichen konnte. ...
... Glieder des Frauendienstes und des Kirchenvorstandes haben wesentlich mitgeholfen und den Pfarrer entlastet. Das gilt auch für die Verteilung einiger "Bohnenkaffee-Sendungen" Pfarrer Niedners aus Brasilien an seine alte Gemeinde. ...
... Auf Bitten von Pfarrer Niedner verlängerte ich meine Vertretungs-Zusage um ein Jahr bis Ende März 1948. Da damals aber Stimmen in der Gemeinde laut wurden, ich wolle Pfarrer Niedner aus Gaußig verdrängen, teilte ich Sup. Busch in Bautzen mit, daß ich mich nach einer kleineren Gemeinde im Kirchenbezirk umsehen möchte, damit ich dort die Gemeindearbeit und die sich ausweitende aphorale Jugendarbeit besser miteinander bewältigen könne. ..."
(Ende Zitat Waltsgott)


Zur Haltung Pfarrer Niedners im sogenannten "Kirchenkampf" des Jahres 1933 steht in den KGN Juni 1983:
... So sollte die Kirche mit Gewalt dem Staate gleichgeschaltet werden. Nach dem Tod des Landesbischofs übernahm am 30. Juni der Dresdener Pfarrer Coch durch einen Handstreich das Landeskirchenamt. Er "beurlaubte" die rechtmäßigen Kirchenräte und übernahm "die Führung" der Landeskirche.
Am 10. Dezember 1933 veröffentlichte diese Kirchenleitung Thesen über den "neuen Kurs" der Kirche. Darin steht: Die Volkskirche bekennt sich zum Arierparagraphen. Sie sieht im Totalitätsanspruch des NS-Staates den Ruf Gottes zu Familie, Volk und Staat.
Das Alte Testament ist dem Neuen Testament untergeordnet. Man wollte ein deutsch geprägtes Christentum und anderes. Mit dieser Erklärung legten sich die neuen Machthaber fest und konnten in ihrem letztlich kirchenfeindlichen Denken besser erkannt werden.

 

Im ganzen Lande setzte eine Scheidung der Geister ein. Eine bekennende Kirche entwickelte sich. Auch der damalige Pfarrer unserer Gemeinde, Pfarrer Harald Niedner, schloß sich der Bekenntnisbewegung an, die sich in Sachsen um den Dresdener Superintendenten und späteren Landesbischof Hugo Hahn sammelte. Pfarrer Niedner weigerte sich oft, Geldsammlungen abzuliefern, deren Zweck nicht zu durchschauen war. Er wurde daher mit verhältnismäßig hohen Geldstrafen belegt. Weitere Aktivitäten, die urkundlich belegt sind, sind Eingaben, so die von 36 Einwohnern Dretschens vom 8. 10. 1935 an den Kirchenminister in Berlin, Dr. Kerrl; in ihr wurde gefordert, die deutsch-christliche Kirchenleitung unter Coch abzuberufen, weil sie "für glaubenstreue Kirchgemeindeglieder nicht mehr tragbar ist".


Pfr. Gerd Frey