Kirchgemeindenachrichten Mai 1997


Dienstjubiläum des Grafendieners


Das Photo zeigt die Hausangestellten des Gaußiger Schlosses. Links steht Joseph Graf Schall-Riaucour und in der Mitte der Diener des Grafen, Theodor Brückner. Das Photo entstand aus Anlaß seines 40-jährigen Dienstjubiläums im Gaußiger Schloß im Mai 1938. Rechts neben dem Diener ist der damalige römisch-katholische Schloßgeistliche (Pfarrer Hogrebe)zu sehen. Graf Joseph und der Diener werden wenige Jahre später im Abstand von nur einigen Monaten auf dem gräflichen Friedhof beigesetzt werden. Die Frau hinter dem Geistlichen ist Frieda Hübner, die in ihrem Häuschen an der Rieglitz lebte, welches jetzt von der Familie Petrick bewohnt wird. Bei ihr fanden nach 1945 die zerstreuten Hausangestellten Zuflucht und sie hielt den Kontakt zur gräflichen Familie. Zum Leben im Schloß gehörte nicht nur der tägliche Gottesdienst sondern auch eine gemeinsame Abendandacht seiner Bewohner.

 

Eigentümer dieser Photographie war Gustav Sandig, Hausdiener des Grafen Adam Schall. Er stammte aus Bilin, dem Geburtsort der Gräfin. In einem letzten Brief schrieb er über seine Gaußiger Zeit: "Die Buben waren alle zu mir nett, sie trugen ihre Koffer selbst in ihre Zimmer. Ich höre heute noch die kräftige Stimme vom Grafen Johann, der bei der abendlichen Kurzandacht sang: 'Herr, bleib bei uns, denn es will Abend werden'. Ganz zum Leidwesen vom alten Brückner flippte ich sonntags aus ... Ein prima Verhältnis hatte ich zum alten Pfarrer. Mittwochs ging ich in die Singestunde in den Gasthof und mein Pfarrer, der ja die Hausschlüssel hatte, saß im Nebenraum und trank mit dem Lehrer Schneider seinen Wein. Hinterher spielte ich mit dem Lehrer Rosen Geige und Klavier. ... Beim Aufräumen fand ich Friedas (Hübner) letzten Brief, worin sie sich für das letzte Weihnachtspäckel mit dem Kaffee und der Schoko bedankte. 34 Jahre konnte ich so in etwa meine Schuld etwas abbezahlen. Die Nachkommen ihres Bruders haben mir ihr Ableben nicht mitgeteilt."


Pfr. Gerd Frey