Aus Gemeindenachrichten Sonderdruck 1991


Auszug aus den "Bautzener Nachrichten" vom 4. Juni 1934, Nr. 127

Kunstschätze im Schloß Gaußig








Das Kunstverständnis und die Sammelfreudigkeit früherer Adelsgeschlechter haben auch auf verschiedenen Lausitzer Adelssitzen private Kunstsammlungen entstehen lassen, die als kostbare Vermächtnisse liebevoll gehütet werden und sachverständiger Pflege unterliegen. Zu ihnen gehört die Sammlung der gräflichen Familie von Schall-Riaucour auf Schloß Gaußig, die in Augenschein zu nehmen am Sonnabend die Gesellschaft der Freunde des Stadtmuseums Bautzen, dank freundlichen Entgegenkommens des Schloßherren nach längerer Pause wieder einmal Gelegenheit hatte.
Für die Teilnehmer der genußreichen Wochenendfahrt war es eine besonders dankbar empfundene Freude, daß der Besitzer der Herrschaft Gaußig selbst seinen Gästen vor der Besichtigung der Kunstschätze einen Überblick über die Geschichte des Schlosses und der Herkunft der Sammlungsgegenstände gab. Sie erfuhren dabei als das Wichtigste, daß bereits 1241 Herrmann von Gusk als Besitzer von Gaußig genannt wurde und daß 1680 das jetzige Schloß erbaut, in den 1870er Jahren aber leider modern verändert wurde. Die Sammlungen gehen zurück auf Erwerbungen des Ministers Graf Riaucour (Andreas von R.), der im 18. Jahrhundert Kursächsischer Gesandter in Mannheim war, und auf Erwerbungen eines Grafen Schall (Pater Adam Schall), der als Missionar nach China gegangen war und von dort, wo er eine hohe Stellung am Kaiserlichen Hofe innehatte, wertvolles altchinesisches Porzellan in die Heimat gebracht hatte.
Dieser Sammlung des Porzellans galt unter der Führung von Graf Schall und Museumsdirektor Dr. Biehl zunächst das Interesse der Besucher. Dr. Biehl gab hierzu die notwendigen kulturhistorischen Erläuterungen, wobei er besonders auf die kostbaren Stücke aus China (17. Jahrhundert) aufmerksam machte. Besonders auf die figürlichen Arbeiten, vorzugsweise buddhistische Gottheiten und Dämonen darstellend, wie sie von ähnlichem Seltenheitswert nur in den größeren Sammlungen der Weltstädte zu finden sind. Aber auch frühe Porzellane der Meißner Manufaktur, unter anderem Böttcher-Steinzeug und Stücke mit besonders wertvollen Mustern anderer Herkunft, befinden sich im Schloß Gaußig. Ebenso alte Gläser und Fayencen, die nicht minder Bewunderung weckten.
Bereits im Speisesaal des Schlosses, wo die hervorragenden Teile des Porzellans zusammen gestellt worden waren, konnte man Teile der Bildersammlung betrachten. Unter der großen Anzahl Gemälde später holländischer Meister fand namentlich eine, dem Pieter Breughel zugeschriebene Winterlandschaft das Interesse. In doppelter Hinsicht wandte sich dieses in einem anderen Raum einem Gemälde von der Hand Anton Graffs zu, das den Begründer der Sammlung, den Minister Riaucour, eine politisch einflußreiche Persönlichkeit, darstellt, und zugleich eines der besten Werke Graffs ist. Als unschätzbare Kostbarkeit aber enthält die Sammlung auch ein als echt anerkanntes Gemälde von Rembrandt, ein frühes, etwa auf 1630 zu datierendes Werk, das lange in Vergessenheit geraten war. Es stellt eine lesende alte Frau, wahrscheinlich die Mutter des Künstlers, dar.
Ostade, Mabuse, Lucas Cranach d.Ä. sind Namen einiger weiteren hervorragenden Künstler, die durch Originale vertreten sind. Die weitere Führung galt dann der reichhaltigen und interessanten Geweihsammlung des Hausherrn und dem von ihm errichteten Bibliotheksflügels. Zwei wertvolle alte Handschriften, einzige Überreste eines 1813 von Kosaken vernichteten reichen Bestandes. Die Bibliothek französischer Literatur des 18. Jahrhunderts in kostbaren Ausgaben und die Kupferstichsammlung waren hier die hervorstechendsten Teile dessen, was die Räume als kostbaren Besitz beherbergen.
So hatte die Besichtigung einen Blick tun lassen auf Schätze, die kennenzulernen gerade den Freunden des Oberlausitzer Provinzialmuseums hohen Genuß bereiten mußte. Nach einem Besuch der Schloßkapelle mit ihrem gotischen Schnitzaltar, einem Werk der Kamenzer Schnitzerschule um 1470 und nach einem Rundgang durch den herrlichen Schloßpark, in dem die Rhododendrongruppen ihre letzte Blütenschönheit dem Auge darboten, schied man von dem herrlichen Besitze, voll der wertvollen Eindrücke und mit Dank für die liebenswürdige Bereitwilligkeit des Schloßherren, die Professor Dr. Heß als Vorsitzender der besuchenden Gesellschaft dankend rühmte.