Johannes Hofmann erinnert sich 1989


Das Kriegsende in unserer Gemeinde

Herr Hofmann erlebte das Kriegsende '45 zu Hause Ende April. Beim ersten Vorstoß der Roten Armee auf Bautzen wurde auch die Evakuierung der Einwohner von Gaußig, zumindest bis Putzkau, angeordnet. Der größte Teil der Bevölkerung versammelte sich in der Silberschlucht, südlich von Gaußig. Das Vieh wurde nicht mitgenommen. Aber schon bald kehrte die Bevölkerung zurück. Beim zweiten Vorstoß des Feindes, Anfang Mai, etwa den 7.5., kam Herr Hofmann mit dem Fahrrad von Seitschen, und als er ins Dorf einfuhr, sah er einen russischen Panzerspähwagen vor der Schmiede Lange stehen. Da er nicht mehr wenden konnte, wurde er von dem russischen Offizier angehalten und in gebrochenem Deutsch nach deutschen Soldaten gefragt. Daraufhin fuhren die Russen nach Brösang zurück. Der überwiegende Teil der Einwohner ging erneut auf die Flucht, in Richtung Sudetenland, kehrten aber am 8. Mai wieder zurück.

Einige Tage nach der Kapitulation kam eine größere sowjetische Kraftwagenkolonne ins Dorf und die Soldaten fingen an, die Kartoffeln des Rittergutes auf dem Mietenplatz bei der Feldscheune aufzuladen. Die Erregung im Dorf war groß. Man fürchtete, daß man auch die Pflanzkartoffeln abfahren würde. Hofmann begab sich in die Nähe des Mietenplatzes und sah, daß die Verladung im vollen Gange war. Zunächst begab er sich in die Wohnung des Lehrers Schneider, welcher unmittelbar daneben wohnte, und ließ sich von Frau Schneider eine rote Armbinde nähen. Worauf er sich zum aufsichtführenden Offizier begab und ihm klarzumachen versuchte, daß man unbedingt die Pflanzkartoffeln benötige. Der Offizier hatte durchaus Verständnis dafür und fragte wieviel man denn benötige. Da dies aber Hofmann aus dem Stegreif heraus nicht beantworten konnte, begab er sich unverzüglich zum Gutsinspektor Berndt, welchen er in der Gutsschreibstube zusammen mit dem Grafen Schall antraf. Nachdem man sich über die benötigte Menge geeinigt hatte, wurde Hofmann vom Grafen gebeten, die Verhandlungen mit den Russen zu führen. Wobei der Graf noch bemerkte: "Herr Hofmann, es ist uns bekannt, daß Sie schon immer die demokratische Linie vertreten haben". Hofmann erreichte dann, daß die Sowjets das benötigte Kartoffelpflanzgut zurückließen.

In den nächsten Wochen war Hofmann mit einigen Antifaschisten, also den Aktivisten der ersten Stunde, sehr bemüht, die größten Schwierigkeiten zu überwinden. Man richtete in der Gastwirtschaft eine Suppenküche ein, um die durchkommenden Flüchtlinge notdürftig zu verpflegen. Auch wurde in der Schule ein Notlazarett eingerichtet, da es auch viele Kranke und Gebrechliche gab, welche von dem Dr. Weltzien betreut wurden. Auch sorgte dieser erste Ausschuß dafür, daß wieder Brot gebacken wurde und an die Bevölkerung abgegeben werden konnte. Auch mußten viele Heimatlose und Flüchtlinge im Dorf untergebracht werden, dann kamen des öfteren Militärkommandos ins Dorf, die Lebensmittel, Bekleidung, Motor und Fahrräder verlangten.

Im Monat Juni wurde dann von Bautzen aus angeordnet, daß wieder Bürgermeister in den Dörfern amtieren sollten. In Gaußig wurde Hans Hofmann für dieses Amt eingesetzt. Er hat bis zum Frühjahr 1946 dieses schwere Amt bekleidet.
Man kann unmöglich heute noch all die Schwierigkeiten beschreiben, die nach dem totalen Zusammenbruch auftraten und irgendwie überwunden werden mußten. Sei es die Ernährung einigermaßen sicherzustellen, die Beschaffung von Baumaterial zur Behebung der Schäden an Häusern, Brücken und Straßen, oder im Winter die Versorgung mit Heizmaterial.

Im sogenannten Seitschner Hay wurde während des Krieges Munition gelagert und zu Kriegsende gesprengt. 1946 wurde dieses Waldstück abgeholzt, um Flächen für die Landwirtschaft zu schaffen. Auch die Familie Hofmann beteiligte sich an dieser Holzaktion. Dabei ereignete sich später folgender Unfall: Frau Hanni Hofmann steckte einmal ein Holzscheit in den Ofen, in welchem noch ein kleines Geschoß oder ein Zünder steckte. Bei der erfolgenden Explosion wurde der Ofen total zerstört und Frau Hofmann wurde durch die Küche geschleudert. Wie durch ein Wunder kam die hochschwangere Frau Hofmann mit Prellungen und Hautabschürfungen davon. Bei diesen Arbeiten im Seitschener Hay verunglückte der Einwohner Ritter aus Brösang beim Stöcke roden am 7. April 1946 tödlich, als er mit seinem Handwerkszeug unbeabsichtigt eine Granate zur Explosion brachte.