In der SZ am Mittwoch, 7.12.2011

 

GAUSSIG                     Postfrau sagt Tschüss

Von Madeleine Siegl-Mickisch

Briefmarken, Päckchen, Überweisungen sind seit mehr als 30 Jahren Karin Försters Job. Bald ist damit Schluss – aber nur für sie.

 


So kennen die Gaußiger Karin Förster: Mit einem Lächeln bedient sie in ihrem kleinen Laden die Kunden. Seit 1994 betreibt sie die Post- und Dienstleistungsagentur, zuvor war sie bei der Post angestellt. Zum Jahresende hört sie auf, aber ihr Laden bleibt.

Das kleine Büro hinter ihrem Laden ist schon halb leer. „Es sind ja nur noch drei Wochen“, sagt Karin Förster. Zum Jahresende nimmt sie Abschied von ihrem Laden – der Post- und Dienstleistungsagentur in Gaußig. Fast 17Jahre hat sie hier Briefmarken und Zeitungen verkauft, Geld ausgezahlt, Päckchen und Pakete oder Versandhausbestellungen angenommen. xxx
Aber als „Postfrau“ kennen sie die Gaußiger schon viel länger. 1980 übernahm sie die Poststelle im Ort, die sich damals an der Naundorfer Straße befand, da wo heute ein Versicherungsbüro seinen Sitz hat. „Damals gehörten noch drei Zusteller dazu, die mit dem Fahrrad die Post austrugen“, erinnert sich Karin Förster. Für sie war es eine berufliche Veränderung, denn sie hatte zuvor Handelskauffrau gelernt und in Bautzen beim Großhandel gearbeitet. Doch nach der Geburt ihres Sohnes suchte sie eine Arbeitsstelle in der Nähe. So fing sie als Helferin im Gaußiger Kindergarten an, dann wurde die Stelle auf der Post frei. Dafür machte sie noch eine Ausbildung zum Postfacharbeiter.

Dann kam die Wende. Wie auch in anderen kleinen Poststellen wurden die Schalterstunden immer weiter reduziert, und bald stand Karin Förster vor der Frage, wie es weiter geht. So kam 1994 der Entschluss, sich selbstständig zu machen. Seitdem steht sie montags bis sonnabends in ihrem Laden im Erdgeschoss des früheren Gemeindeamtes. Ab und zu hilft ihr eine Mitarbeiterin. Bereut hat sie es bis heute nicht.

Als eine der ersten eröffnete sie damals eine Postagentur, als weiteres Standbein kam eine Quelle-Agentur dazu. „Das war lange Zeit das Hauptgeschäft“, sagt Karin Förster. Froh ist sie, dass es ihr gelungen ist, die Postbank in Gaußig zu halten. So können die Kunden bei ihr Überweisungen erledigen, Geld einzahlen oder abheben – und mit etwas Glück gewinnen. Denn auch Lottotippscheine nimmt sie entgegen, außerdem gibt es bei ihr Zeitungen, Zeitschriften und Geschenkartikel. Manches wie Leinöl und Lauterbacher Tropfen holt sie sogar aus dem Erzgebirge. Und wenn jemand etwas ganz Bestimmtes braucht, wird auch das besorgt. xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

Vor allem ältere Leute sind froh, dass sie nicht wegen jeder Briefmarke in die Stadt fahren müssen. Aber auch Auswärtige, die im Schlosshotel übernachten oder auf dem Gut Sommereichen Urlaub machen, schauen bei ihr herein.

Karin Förster hat immer gern mit Menschen zu tun, einem kleinen Schwatz ist sie nicht abgeneigt – und manchmal ist sie eben auch der Kummerkasten. Wie für die ältere Dame, die mit der Bedienung ihres neuen Fernsehers nicht zurechtkam oder nicht wusste, wie sie das Entrümpeln des Dachbodens bewerkstelligen sollte. Solche Sorgen schiebt Karin Förster nicht gleich beim nächsten Kunden beiseite, sondern nimmt sie auch schon mal mit nach Hause. So packte schließlich ihr Mann auf dem Boden der Kundin mit an. „Ich hab’ auch schon Heiligabend Quelle-Pakete zu Kunden gebracht, die noch auf Geschenke warteten“, erzählt Gert Lehmann schmunzelnd. Denn auch als er noch als Lehrer gearbeitet hat, ist er seiner Frau im Laden ein wenig zur Hand gegangen.

Aber nun wollen sie gemeinsam den Ruhestand genießen und den Alltag nicht mehr nach den Öffnungszeiten richten. „Viele Kunden sind traurig und sagen: ‚Das geht doch gar nicht.‘“, sagt Karin Förster. „Aber ich freu’ mich drauf.“ Schließlich wollte sie schon immer mit 60 aufhören, und langweilig werde ihr ganz bestimmt nicht. „Wir haben viele Bekannte, und wir wollen zum Yoga gehen.“ Und auch für den Gaußiger Heimatverein und für den großen Garten am Haus bleibe mehr Zeit.

Auch wenn die Kunden das vertraute Gesicht vermissen werden – allzu traurig müssen sie nicht sein, wenn sie am 31.Dezember zum letzten Mal hinterm Ladentisch steht. Denn schon am 2.Januar geht es mit neuer Besatzung weiter. Ein junges Ehepaar aus Schirgiswalde führt das Geschäft weiter.

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9 bis 11 und 14.30 bis 17 Uhr, Sonnabend 7 bis 10 Uhr