Sächsische Zeitung Februar 2005 - Silvia Stengel

 

Der Freundeskreis Musik Gaußig wird heute 30 und begeht das Jubiläum mit einem Konzert in Bautzen. Kurz davor bekam er eine Fördermittel-Absage

Ob im Londoner Konzertsaal oder im Spiegelsaal in Gaußig, es darf keinen Unterschied in der Darbietung geben", schrieb der Dresdener Klaviervirtuose Peter Rösel. Das gefiel Hans Rausendorf. Der heute 84-Jährige aus Gaußig bei Bautzen hat nämlich die Konzerte im Schloss des Ortes organisiert. Dafür gründete er den Freundeskreis Musik Gaußig. Als dieser 20 Jahre wurde, gab Rausendorf extra eine Zeitung heraus und zitierte dort den Pianisten.
Heute, zum 30. Geburtstag des Freundeskreises, kommt er nicht mit einer Zeitung zum 340. Konzert nach Bautzen. Diesmal hat er aber eine kleine Ausstellung zu bieten. Schwarz-weiß-Fotos von Künstlern aus aller Welt sind zu sehen: Geiger, Pianisten, Bläser, Chöre. Zuerst sind sie im Spiegelsaal aufgetreten. Nach der Schließung des Schlosses bot der Freundeskreis seine Konzerte in Bautzen an, nun im reizvollen Saal des Sorbischen Museums.

Nur Theo Adam hat abgelehnt

Rausendorf weiß noch genau, wie alles angefangen hat. Damals war er Gewerbelehrer. Der Chef vom Rat des Kreises sagte ihm, er solle doch was Kulturelles in Gaußig machen. Der Kreischef dachte an einen Skatclub. Doch Rausendorf gründete den Musikkreis. Das Purschke-Quartett aus Bautzen war die erste Gruppe, die in Gaußig musizierte. Die Besucher erlebten "Konzerte, um die mancher das Dorf beneiden kann", schrieb die Zeitung "Neues Deutschland" 1985. Eigentlich hat er alle Künstler bekommen, erinnert sich Rausendorf. Nur einen nicht: den Kammersänger Theo Adam. Der wollte nicht unter 3 000 Mark auftreten.
Freilich: Die Musiker spielen genauso wie in London. Die dort üblichen Gagen allerdings kann in Gaußig niemand zahlen. Und doch schwärmen viele Künstler von den Konzerten des Musikkreises, auch wegen der familiären Atmosphäre.
Oft sitzen die Musiker nach dem Auftritt noch mit dem Freundeskreis zusammen. Das Streich-Quintett der Mecklenburgischen Staatskapelle übernachtete im Haus von Rausendorf. Das "Wunderkind", der Geiger Alexandru Tomescu aus Bukarest, saß bei Rausendorf auf dem Sofa und sagte, dass er gern wiederkommt. Beim Freundeskreis sind auch regelmäßig junge Talente der Dresdner Hochschule für Musik zu Gast. Viele sind Gaußig bis heute verbunden. So berichtet Rausendorf von "unvergesslichen Liederabenden" mit Olaf Bär, einem in der Welt gefeierten Bariton.
 

Zuschuss-Praxis unbegreiflich

Die Kontakte zu den Künstlern pflegen jetzt Claudia und Holger Weißig. Das Ehepaar hat den Freundeskreis 2003 in die Hand genommen, als Rausendorf schwer erkrankt war. Holger Weißig ist Zahnarzt und kümmert sich nebenbei um das Organisatorische. Seine Frau, früher Erste Geigerin im Bautzener Theater, hat das Feingefühl fürs Künstlerische. Der Herr Doktor gerät aber regelmäßig fast in eine Krise, wenn es um Fördermittel geht. 2004 hatten der Freistaat Sachsen und der Landkreis Bautzen noch jeweils ein Sechstel der Kosten übernommen. Und nun, kurz vor dem Jubiläum, bekommt Weißig eine Absage aus Dresden. Mit dem heutigen sind noch acht Konzerte bis zum Jahres-ende geplant. Weißig will keins streichen. Der Freundeskreis hat immerhin 62 Anrechtler, insgesamt etwa 80 Mitglieder. "Ich werde privat dafür bürgen müssen", sagt Weißig. Für ihn ist es unbegreiflich, wie der Freistaat mit ehrenamtlicher Arbeit umgeht.