Begräbnisrituale

Aus der Chronik von Martina Koban von Naundorf

Zu der Zeit, als die Verstorbenen noch bis zur Beerdigung zu Hause aufgebahrt wurden, orderte man den Leichenwagen an. Er war beim Bauern Oskar Hänchen in Naundorf Nr. 12 untergestellt (In Gaußig im Leichenwagenschuppen neben dem Kantorat. 1967 ist der Gaußiger Wagen verschrottet worden, als Behelf wurde ein mit schwarzen Tüchern behangener Tafelwagen des Tischlers benutzt, von außerhalb mit Pferdegespann. Mit dem Transport durch Autos verlor sich die Tradition der Fußbegleitung zum Friedhof). Er stellte den Kutscher und den Beisitzer. Die beiden trugen eine Uniform. Dazu gehörten ein schwarzer Umhang und ein besonderer Hut. Der Wagen wurde von zwei Rappen gezogen.
Am Tag der Beerdigung holte man die Verstorbenen mit diesem Wagen ab. Auf dem Weg zum Friedhof nach Gaußig geleiteten die Angehörigen und die Trauergäste den mit Kränzen und Blumen geschmückten Sarg. Auf halbem Wege kamen ihnen die Kurrendeknaben mit dem Kreuz und in einheitlicher Kleidung entgegen. Es wurden dem Anlass entsprechende Lieder gesungen. Beim Eintreffen in Gaußig begannen die Glocken zu läuten.
 

Aus der Chronik von Martin Müller, geschrieben 1962-1970

125. Beim Begräbnis des Nachbarn Belke fiel mir zum ersten Male auf, daß keine Chorkinder, kein Kreuzträger zur Stelle waren. Der Kantor stand mit dem Kreuz am Eingang der Leichenhalle. Auf Befragen erfuhr ich, daß diese Einrichtung in dieser Art seit einem reichlichen Jahr besteht.
Früher holten die Chorkinder (Kurrende) mit dem Kreuz die Leiche vom Trauerhaus ab. Vor der Feier wurden sie noch mit Kaffee und Kuchen bewirtet. Auf dem Weg von der Schule wurde manchmal von den Chorkindern Unfug verübt. Der Kreuzträger wurde besser bezahlt.
Bis 1933 stand das Leichenkreuz in der Schule im Lehrerzimmer, der Schrank mit den Chorkindermänteln im Hausflur. Beides später im Pfarrhaus. Die Mäntel sind nach dem jahrelangen Gebrauch unansehnlich geworden und sollen bei Gelegenheit durch neue ersetzt werden.
Eine Erweiterung der Leichenhalle (gemeint ist das kleine Gruftgebäude) wird als notwendig empfunden, scheitert vorläufig (bis 1987!) an den Kosten.
  Pfarrer Frey kann im November 1989 aber schreiben:
Kurrende Das Wort "Kurrende" kommt von dem lateinischen Ausdruck "currere", was so viel wie "laufen", "mitgehen" heißt. In den Zeiten, in denen Kirche und Schule noch nicht getrennt waren, holte der Kantor die Kurrendekinder aus dem Unterricht. Da Hausabholung bis in die 50er Jahre üblich war, mußten die Kinder gelegentlich bis Arnsdorf laufen. Daher gehörte eine Bewirtung der Kurrende zu den festen Punkten, die bei einer Beerdigung zu beachten waren. Natürlich kam auch allerhand Schabernack vor, den die Kinder unterwegs anstellten, und die Grenze des Erträglichen wurde berührt, wenn mit dem Kreuz Äpfel oder Birnen geangelt wurden. - Dieses macht natürlich die heutige Jugend nicht mehr. - Bis zu 24 Kinder nahmen in der früheren Zeit an der Beerdigung teil. Obwohl die Beständigkeit der Kinder gelitten und die schulischen Verpflichtungen sich gemehrt haben, nimmt doch an den allermeisten Beerdigungen die Kurrende auch in unseren Tagen teil.